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Zweites Buch.
Periode.
Erfier Abfchnitt.
f. W. in leicht colorirten Federzeichnungen. Verwandte Behandlung bei höchit
anmuthigem gothifchem Stile zeigt die Handfchrift der Gedichte Miracles de
notre dame et vie des peresl). Am Schluffe des erften erfcheint Gautier
nder Meifter, der das Buch reimteu, wie er es fchreibt und wie er es der
Madonna überreicht. Da find Erzählungen illuitrirt, wie die uns von Konrad
von Sclzeiem her bekannte Theophiluslegende und die Gefchichte der fchwan-
geren Aebtiffin, zweimal auch eine für die Phantaftik und den Humor der
Zeit höchft bezeichnende Legende: Ein Mönch meifselt ein fo häfsliches Bild
des Teufels, dafs diefer ihm zornig erfcheint und {ich an ihm zu rächen
fucht. Religiöfe Daritellungen allegorifch-myftifchen Charakters zeigen zwei
lätgxvggjfHandfchriften des Breviari d'amor von Ermengaud de Beziers in der
Wißn- Hofbibliothek zu Wien z), dann verfchiedene Handfchriften der Apokalypfe
Avoäfääiffe- mit Commentar, unter denen das Scriptum super apocalypsim in Prag3)
von befonderem Werth ift, mag es auch blofse Federzeichnungen enthalten.
Eneland- In England beftanden zwar fchon lange lebhafte Beziehungen zur fran-
zöflfchen Kunft, dennoch dauerte hier der ältere Gefchmack in der Miniatur-
malerei länger, und der neue Stil, der in Frankreich feit Mitte des I3. jahr-
hunderts befland, drang hier erft am Schluffe deffelben durch4). Nun aber
entftehen Arbeiten, die den beften franzöfifchen Erzeugniffen der Epoche
gleichftehen, wie der Pfalter des Mönches Robert von Ormesby aus Nor-
wichä) und zwei Pfalterien des British Mufeum"). Befonders das letzte von
diefen, mit einer Fülle von biblifchen Scenen auf gemuftertem Grunde, erfreut
oft durch die Anmuth der Motive, fteht im Ganzen auf der Stufe des Origny-
Codex, ift aber manchmal vielleicht noch gezierter 7). Hier treten noch un-
gebrochene Hauptfarben, wie Zinnober und Blau, auf, fonit ziehen die Engländer
zart gebrochene Töne, etwa ein feines Rofa vor. Schattirung und Details
werden, wie in Frankreich, durch mageres Hineinzeichnen mit der Feder in
die mit Deckfarben gefüllten Flächen gegeben. Der gothifche Gefchmack, oft
nicht ohne Uebertreibung, geht in den Verhältniffen und Bewegungen durch.
In allen diefen Büchern find auch feierliche repräfentirende Compofitionen
würdig aufgefafst. Gewiffe allegorifche Darftellungen fcheinen der englifchen
Schule eigenthümlich zu fein, wie die Gegenüberftellung des Baumes der
Lafter mit der Schlange zwifchen Adam und Eva und des Baumes der
Tugenden, welchen die Geftalten der vier Cardinaltugenden umgeben (Arundel
83). An den Rändern, die {ich durch befonderen Reichthum auszeichnen,
kommen gelegentlich Darftellungen ernften Charakters, namentlich aber auch
die köftlichften Dörleries vor. Die Vorftellungen, welche das Beftiaire über-
1) Ebenda. Nr. 10747.
2) 2583, 2563. Proben aus der erfien bei Diädin, a bibliographical tour, III, 479.
3) Bibl- des Mßlrßpülifanßapitels; auf Papier; Anfang des 14. Jahrhunderts. Stammt aus Avi-
gnon und war früher im Beütze von Cardinal Luca Fieschi (T 1336). Photolithographifch her-
ausgegeben, Prag 1873, mit Einleitung von A. Frind.
4) Probe aus dem Tenifon-Pfalter, British Museum, begonnen um 1284, bei Shaw, the art of illum.
etc. S. I8 ff.
5) Oxford, Bodleian L., Douce 366.
6) Arundel 83 und MSS. Regia. 2 B. VII.
7) Palaeogr. Soc. Taf. 99 f.