340
Zweites Buch.
III. Periode.
nen. Es wufste im Bunde mit den Bifchöfen und den {tädtifchen Gemeinden
die grofsen Vafallen des Feudalitaates in Schranken zu halten, die unterneh-
mende Kraft des ritterlichen Adels in andere Bahnen abzulenken, die Unab-
hängigkeit des Königreiches zu wahren. Päpftlicher Anmafsung gegenüber
vertrat felbft Ludwig der Heilige unerfchütterlich fein Recht. Die Hauptftadt
Paris entwickelte fich fchon damals zur Weltitadt und wurde ein Centrum des
Gewerbfleifses, der Bildung und der Wiffenfchaft.
Der künftlerifche Einflufs, der von dort ausging, war nur ein Theil der
franzöfifchen Einwirkungen überhaupt, die jetzt das ganze Abendland durch-
drangen. In Frankreich hatte die ritterliche Sitte ihre Ausbildung empfangen,
und feit den Kreuzzügen, die von dort aus angeregt waren, hatte {ie flch an-
deren Nationen mitgetheilt. Von Frankreich wurden die Formen der gefell-
fchaftlichen Bildung im höfifchen Stande, das Auftreten und Benehmen, die
Kleidertracht, die Form des Minnedienftes beftimmt. Der Minnedichtung und
der epifchen Erzählung lieferte Frankreich die Stoffe wie die Mufter der Be-
handlung, die Einführung franzöfifcher Worte und Redewendungen in die
Sprache galt als gewählt. Die gefteigerte Wanderluft, der wachfende inter-
nationale Verkehr erleichterten die Verbreitung folcher Einflüffe. Das Be-
wufstfein eigenen nationalen Charakters trat unter dem immer noch herrfchen-
den Gefühle von der Einheit der Chriftenheit zurück. Gemeinfam war der
abendländifchen Menfchheit die kirchliche Verfaffung und die fchwärmerifche
religiöfe Begeifterung. Aber auch die ritterliche Sitte war das fefte Band eines
Bürgerthum. ganzen Standes in allen Nationen. Endlich entwickelte fich überall in gleicher
Weife, als eine neue Macht, das freie handeltreibende und gewerbfleifsige
Bürgerthum. Diefes wurde nun zum Träger der bildenden Kunft, die aber
nicht, wie im wefentlichen die ritterliche Dichtung, blofs das Eigenthum Eines
Standes blieb, fondern zum Ausdruck des gefammten Volksgeiftes in diefer
Epoche ward. Eine neue Technik neben denen, welche fchon die romanifche
Periode befeffen hatte, trat in der Malerei nicht auf, aber es änderten {ich die
Auffaffung, die Emprindungsweife und der Betrieb. Zunächft emancipirte die
Kunft {ich von der Leitung des geiiilichen Standes, mochte die religiöfe Be-
geifterung auch noch fo allgemein, die Macht der Curie noch fo grofs fein,
und mochten diefer fogar neue Organe in den Bettelorden mit ihrem Einiiuffe
auf die Maffe des Volkes erwachfen.
ääinäige Während die Künltler des früheren Mittelalters, namentlich diejenigen
6' er" geiftlichen Standes, der encyklopädifchen Bildung ihrer Zeit entfprechend,
meift in verfchiedenen Künften, oft in allen zu Haufe gewefen, änderte fich
das jetzt, befonders in den Ländern dieffeits der Alpen. Die bürgerlichen
Meifter waren Fachleute und betrieben ihr beftimmtes Gewerbe. Die Maler
verfertigten Wandbilder, dann auch Tafelbilder, als die Staffeleimalerei mehr
in Aufnahme kam. Neben ihnen ftanden die Schilder, eigentlich Schilder-
macher, fodann Sattler und Verfertiger von Allem, was zur Ausrüftung des
Pferdes gehört, aber auch Schildermaler. Damit lag ein Zweig der Staffelei-
malerei, aber ein folcher, der nicht in die kirchliche Kunft hinübergriff und
der vorzugsweife handwerksmäfsig blieb, in ihrer Hand. Dann kamen die
Glasmaler nebft den Glafern, die Miniaturmaler oder Illuminatoren hinzu. Bei
weiterer Entwicklung des genoffenfchaftlichen Wefens fchloffen {ich die ver-