Das hohe Mittelalter.
Italien.
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ungewöhnlich iPc, umgeben von Maria, Propheten und anderen Geftalten des
alten Bundes, der antiken Tradition am nächiten und gehört wohl noch dem
II. Jahrhundert an. Etwas jünger erfcheint die Kuppel über der Vierung mit
dem gen Himmel fahrenden Chriitus, den ein innerer Kreis mit Maria, den
Apofieln und Engeln, dann ein äufserer Kreis mit den Perfonificationen der
Tugenden umfchliefst. An den Wänden folgen biblifche und legendarifche
Scenen fowie Einzelüguren von Heiligen, die bis in das I3. Jahrhundert reichen.
Die Geitalten fmd fteif und fchwächlich, die Handlungsbilder bei aller äufser-
lichen Bewegtheit lahm.
Diefelbe Schule war an anderen Orten in der Nähe thätig. Die Apfis des lliuww-
Domes in Murano enthält das Koloffalbild der Madonna, von vorn gefehen,
mit betend erhobenen Händen und griechifcher Infchrift. Die Mofaik aus der
1109 gebauten Kirche S. Cipriano zu Murano ifi: von Friedrich Wilhelm IV.
angekauft worden und fchmückt jetzt die Friedenskirche in Potsdam. In der
Apfis thront Chriftus umgeben von Maria, Petrus, Johannes dem Täufer und
Cyprian, am Bogen erfcheint das Lamm Gottes im Medaillon zwifchen den
Erzengeln Raphael und Michael 1). Der Dom in Torcello enthält im Innern Torcello.
mehrere Mofaiken, die wohl dem I2. Jahrhundert angehören, in der Apfis
Maria mit dem Kinde und unter ihr die Apoftel, feitwärts vom Bogen die
Verkündigung, an der Eingangswand das koloffale jüngfte Gericht2), nach
byzantinifcher Art componirt, wie die Uebereinftimmung mit den Vorfchriften
des Malerbuches vom Berge Athos darthut. So ift unten, der Hölle ent-
fprechend, die Pforte des Paradiefes, an welcher ein Engel, Petrus als Pförtner
und andererfeits der begnadigte Schächer vom Kreuze fowie Maria als Für-
bitterin ltehen, und Abraham mit den Seelen der Gerechten zu erblicken.
Eine verwandte Richtung war in TriePt thätig, das künftlerifch von Ve- Trieft.
nedig aus beftimmt wurde. Hier enthält die nördliche Seitenapfis des Domes
eine Mofaik des I2. Jahrhunderts: die thronende Madonna mit den Erzengeln
Gabriel und Michael und unter ihr die Apoftelß).
Auch der Dom zu Parenzo, das 1192 vorübergehend, 1267 dauernd Ve- Parenzo-
nedig unterworfen ward, weift ein Mofaikbild auf. Hier wird die Halbkuppel
der Tribuna ebenfalls von der Madonna mit zwei Engeln eingenommen, der
dann aber noch mehrere Heilige und Stifter zur Seite ftehen, nach Infchriften
Euphrafius, der als erfter Bifchof von Parenzo und Gründer der Kirche
gilt, mit dem Kirchenmodell, der hiftorifch nicht bekannte Archidiakonus
Claudius und deffen Sohn Euphrafius, ein Knabe. Die Arbeit gehört wahr-
fcheinlich dem 13. Jahrhundert und zwar der Zeit des Bifchofs Otto (1256-
1282) an, da fie völlig mit den kleineren Mofaiken des Ciboriums, an dem er
infchriftlich als Stifter genannt wird, übereinftimmt 4).
Wollen wir die Refultate zufammenfaffen, welche der Ueberblick der Rückblick.
L
I)Vg1_ Max Yordznfs Nachtrag zu Crowe und Camzlcaselle I, 357, nßbßi dem Belege aus
Sanfovinzfs Venezia. descritta.
z) Proben bei E_ Föyßer, Denkm. it. M_ I. Taf. I3.
V f. 1
3) Mittheilungen der k. k. Centralcomm. IV. (1859) S. 173, 204, mit Abblldung D" er (es
Auffatzes Karl Haax hält die Apoüzel für älter.
4) R von Eitelberver in den Mittelalterlichen Kunftdenkmalen des öfterr. KalferßaateS, I- S- 105 f-a
o
mit Abbildung.
Gefchichte d. Malerei. 22