Das
hohe Mittelalter.
Italien.
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Apoftel; Köpfe und Geftalten von altteftarnentarifchen Perfonen und von Hei-
ligen fchmücken die Wände und Bögen des Presbyteriums.
Während die Fülle der Denkmäler ein dauerndes Zeugnifs von Rogers
mufterhafter Regierung ift, unter welcher Sicilien durch geordnete Verwaltung
und gefunde wirthfchaftliche Politik in höchfler Blüte daftand, trat in der Re-
gierung Wilhelms I., feines zügellofen, in orientalifchen Luxus verfunkenen
Nachfolgers, eine Unterbrechung in der von oben her geförderten Kunflthä-
tigkeit ein. Aber unter feinem Sohne Wilhelm II. (1166-1189), dem letzten
Fürfien diefes Haufezgentftand als das kirchliche Hauptmonument des Herrfcherge-
fchlechtes und als eigene Stiftung des Königs die 1172 begonnene Kathedrale
zu Monreale bei Palermo 1). Ihre Mofaiken, die vielleicht technifch nicht mehr Monrenle.
durchaus auf der Höhe jener früheren liehen, bilden doch einen durch Um-
fang und Reichthum fo hervorragenden Bildercyclus, dafs er in diefer Hinficht
noch die älteren überbietet. Die Gefchichte des Alten Teftamentes zieht fich
in dem Mittelfchiffe von der Eingangswand her an den Oberwänden in zwei
Reihen entlang, über denen ein reicher ornamentaler Fries mit Engelsbruftbil-
dern den Abfchlufs bildet; die Seitenfchiffe und als deren Fortfetzung das
Querhaus enthalten die ganze evangelifche Erzählung, von welcher die Bil-
der aus der Kindheit Chrifti gerade an den Bögen der Vierung über Patri-
archen- und Prophetengeftalten Platz gefunden haben, und die Verkündigung,
wie in der Capella Palatina, über dem Bogen der Tribuna fteht. Wie dort,
fo nimmt auch hier die koloffale Halbfigur Chrifti die Wölbung der Apfis ein,
und unter ihr, an der Wand, ift die thronende Maria dargeftellt, nur diesmal
mit dem Kinde und zwifchen zwei Reihen Heiligen. In den Nebenapfiden
thronen Petrus und Paulus, denen fich an den Wänden zunächft Scenen aus
ihrer Legende und einige Heiligengeftalten anreihen. Zwei Dedicationsbilder,
Wilhelm II. von Chriftus gekrönt und mit dem Kirchenmodell vor der Ma-
donna, haben im Querhaufe über Thronfeffeln Platz gefunden.
Diefe Mofaiken Siciliens find von allen barbarifchen Zügen der italienifch- Stil und
mittelalterlichen KunPt frei. Hier waltet die alte byzantinifche Tradition, für "ich"
welche alles feftfteht, die Typen, die Auswahl wie die Auffaffung der einzel-
nen Momente und Geftalten, die Anordnung der Bilder im Raume. So wohl
diefe überlegt ift, fo erfcheint fie doch überall einfach, fo dafs {ich das Auge
leicht zurechtündet, ohne durch künftliche Beziehungen und Gegenfätze ver-
wirrt zu werden, aber fie wiederholt {ich auch in ihren Hauptzügen überall in
gleicher Weife; von folcher Mannigfaltigkeit der Motive, wie fie die Tribu-
nen-Mofaiken in Rom feit dem I2. Jahrhundert zeigen, ift hier keine Rede.
Die repräfentirenden Geflalten find würdevoll, feierlich, in den Proportio-
nen wohlgelungen ohne zu weit getriebene Schlankheit. Motive voll. Schön-
heit und Adel tauchen vielfach auf, zum Beifpiel in den Engeln an der Kuppel
der Capella Palatina. Andere Köpfe find freilich {larr und asketifch, nament-
lich Chriflus felbft, und auch in mehreren Heiligen geht der Ausdruck der
I) D. Danzerzico Benedelta Gravimz, abate Casinese: I1 duomo di Monreale illustrato e riportato
in Tavole cromolitografiche, Palermo I859, fol. Dafs Kirche und Mofaiken vor dem Tode des Kö-
nigs (1189) fertig waren, geht aus dem Eingange von Rycuzrdus de Szmrta Gemzmm, Chronica, Mon.
Germ. SS. XIX, S. 323, hervor.