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Buch.
Zweites
Periode.
Vierter Abfchnitt.
Der grofse Abt, aus dem edlen Stamme der Fürflen von Benevent entfproffen,
ftellte nicht nur Zucht und Ordnung in feinem Klofter wieder her, fondern
pflegte auch die Studien und war vor allem auch auf den künftlerifchen Glanz
der Abtei bedacht. Als er in diefem Sinne in den Jahren 1066-4071 den
Neubau der Kirche und des Klofters durchführte, fuchte er überall die beften
Quellen auf, die ihm Material und Kräfte liefern konnten. In Rom wufste er
durch feine perfönliche Gegenwart, feine Beziehungen und feine Geldmittel
Säulen und andere Architekturtheile in farbigem Marmor, offenbar von antiken
Gebäuden, zu erlangen. Anderes aber befchaffte er in uder königlichen Städter
Conftantinopel, wohin er eigens einen Bruder mit einem Empfehlungsbriefe
an den Kaifer und mit ausreichenden Mitteln fendete. Wie er einft die
ehernen Thüren, noch ehe er an den Neubau dachte, dort hatte machen laffen,
fo liefs er nun einen goldenen Altarauffatz mit Edelfleinen und Email, eherne
Balken mit Candelabern und Hängelampen, Chorfchranken aus Erz, grofse
Silberkreuze mit getriebener Arbeit und fonfl noch mancherlei Kirchengeräth
bgiäftgzä dafelbfl anfertigen. Für die Mofaikbilder und die Marmormofaiken der Fufs-
luoäfääerh böden mufste er aber byzantinifche Künfller in Dienft nehmen, welche dann
ihre Arbeiten in Monte Cafmo felbfl ausführten. Er that dies, wie fein
Biograph fagt, weil Rom, die nmagistra Latinitasu, im Verftändnifs diefer
Künfte feit fünfhundert Jahren und länger nachgelaffen 1), und er forgtei zu-
gleich dafür, dafs fie in Italien nicht noch mehr herabkämen, indem er zahl-
reiche junge Leute im Klofter nicht nur in diefen Techniken, fondern auch
in der Goldfchmiedekunft, der Metalltechnik aller Art, der Arbeit in Glas,
dem Modelliren, der Elfenbein- und Holzfchnitzerei wie in der Steinplaflik unter-
richten liefs, wobei er vom beflen Erfolge begleitet wurde.
Der Neubau im Barockflil hat in Monte Cafino felbft aus der Zeit des
Defiderius nichts als jene Thüren übrig gelaffen. In ornamentaler Marmor-
mofaik war einfl der Fufsboden der Kirche und vieler Nebenräume ausgeführt,
von der bemalten Holzdecke flrahlten bildliche Darflellungen, Apfis und Haupt-
bogen enthielten mufivifche Bilder, ebenfolche fchmückten den Obertheil des
Veftibuls und der Faqade, während unter ihnen da wie dort Malereien aus
dem Alten Teftamente angebracht waren, und auch das Refectorium mit
Wandbildern gefchmückt war.
Einen kleinen Erfatz für das Verlorene müffen uns die Wandmalereien
s. Angele der von Deflderius geflifteten und im Jahre 1075 geweihten Kirche S. Angelo
m Forum in F0 rmis bei Capua 2) gewähren. In der Vorhalle, über dem Hauptportale,
ift in dem halbkreisförmigen Tympanon der Erzengel Michael in halber Figur,
ganz von vorn, in reicher byzantinifcher Hoftracht zu fehen, über ihm die
Wandbilder. betende Maria in einem Runde, das zwei Engel halten, während die Wand-
bilder feitwärts der Legende der Eremiten Paulus und Antonius gewidmet
flnd. Im Inneren find die Malereienwder Seitenfchiffe, aus dem Alten Tefta-
mente, bis auf wenige Refle zerflört, das Mittelfchiff enthält zunächfl Propheten-
I) nEt quoniam artium ifiarum ingeniuln a quingentis et ultra iam annis magistra Latinitas
intermiseratß cap. 27. Richtige Auffaffmmg des Wortlautes feftgefiellt von Rumahr, Ital. Forfchulugen
I, S. 287. Der Ausdruck intermisemt bezeichnet Vernachläffigung, nicht gänzliches Aufhören der
Technik, und der angegebene Zeitpunkt ift für den Anfang des italienifchen Kunftverfalles bezeichnend.
2) 51172112, II, S. 170, Taf. 70 f; SVzInzrzrn, I, Taf. 7 u. 9.