Das hohe Mittelalter.
Italien.
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im Jahre 1076 wurden, nach der Infchrift, die Thüren der Wallfahrtskirche
Monte S. Angelo bei Siponto in nder königlichen Stadtu Conftantinopel
vollendet, 1087 diejenigen in Atrani bei Amalfi und 1084 die in Salerno.
Ein Denkmal gleicher Art wurde endlich durch Maurus von Amalfi, aus
derfelben Familie, im Jahre 1070 in die Kirche St. Paul vor den Mauern
bei Rom geftiftet, wo es, durch den Brand des Jahres 1822 befchädigt, 1873
wiederaufgefunden wurde und jetzt im Kloiter zu fehen Hier nennt eine
griechifche Infchrift fogar den Giefser Siaumkios. Im Ubrigen kommt auch
fonit gelegentlich einzelnes Griechifche in den Infchriften diefer Arbeiten vor,
aber das Lateinifche überwiegt bei weitem; die byzantinifchen Erzarbeiter
richteten {ich eben nach den Beftellern.
Was uns nun aber nöthigt, diefe geficherten byzantinifchen Arbeiten in
Italien zu berückfichtigen, obwohl fie nicht den Kunttzweigen angehören, mit
denen wir uns eigentlich zu befchäftigen haben, find die Schlüffe, die {ich aus
ihnen für die Folgen folcher Verpflanzung byzantinifcher Kunlt nach Italien Italienifche
ziehen laffen. Waren folche Arbeiten in der zweiten Hälfte des 11. Jahr- Emhmielh
hunderts nur von Conitantinopel gekommen, fo finden wir feit dem Anfange
des I2. Jahrhunderts Unteritalien felbit im Befitze diefer Technik. An den
Thüren vom Grabmale des Boemund (j- IIII) zu Canofa nennt {ich Rogerizis
von AMaZß, an der 1119 vollendeten Hauptthüre der Kathedrale zu Troja
und an der 1127 vollendeten füdlichen Seitenthüre ebendafelbft Odergßzzs 22072
Benevml als Meifter. Diefe Werke zeigen noch diefelbe Technik wie die
byzantinifchen und auch im Stile eine nahe Verwandtfchaft, nur in der Orna-
mentik zugleich arabifche Eintlüffe. In der Folge aber kommt die getriebene
Arbeit in hoher Reliefplaftik auf, in der 1179 vollendeten Prachtthüre des
Domes zu Ravello, der kleinen Thüre an der Kirche zu Monreale in
Sicilien und der Thüre der Kathedrale von Trani, bei denen die Infchriften
einen Barzfanus von Tmm" als Verfertiger nennen. Einiges Griechifche ift
auch hier noch in den Infchriften zu finden, dem byzantinifchen Stile ent-
fprechen noch im Allgemeinen die Proportionen, das Gefält, der Typus der
Köpfe, auch die ikonographifche Auffaffung einiger biblifcher Scenen, aber
eine gröfsere Bewegtheit in den Compofitionen und die kräftige Plaftik der
Behandlung find neu.
Jene Beftellungen in Conftantinopel waren immer von einzelnen, durch kann-
Reichthum und Anfehen hervorragenden, politifch oder kirchlich hochgeftellten fordmn
Perfönlichkeiten ausgegangen; die Künitler felbit hatten zunächit nicht das
Bedürfnifs gehabt, fich an die fremde Kunft anzulehnen. Wohl aber wufsten
fie von deren Vorbildern zu lernen, fobald diefelben ihnen vor Augen itanden.
Mafsgebend waren in diefer Beziehung vor allem die Beitrebungen eines
Mannes, der überhaupt in Gefchichte und Geiitesleben des damaligen Italien
eine hervorragende Stellung einnimmt, des Abtes Defiderius von Monte DellClCrlLlS
Cafino, von dem die Caiinenfer Chronik feines Schülers Leo Bericht gibt lllontleoäaßno
I) Ueber diefe Thüren vgl. das erwähnte Werk von Schulz, befonders I, S. 242 f. II, S. 245 f.
Auch den Auffatz von deffen lNIitarbeiter Slrelzlke bei v. Quaß u. Orte, Zeitfchr- für Chrm- Arch-
Kunß: II, S. 100 f.
2) Lemzis Maayicani et Petri Dlamni chronica. nmomsterii Caünenüs, edente W. Wlllßlzllaclz, M011.
Gßrln. SS. VII, S, 551. Ueber {eine Kunfibefirebungexx befonders III, cap. I3, 25-29: 32 f-
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