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Zweites Buch.
Periode.
Vierter Abfchnitt.
ausgewandert waren, wie denn Papfl Paul I. (757-768) das Kloiler S. Stefano
e Silveftro zu Rom gründete und hier griechifche Mönche einfetzte, die ihren
eigenen Ritus bewahrten i). Aber Spuren einer Kunftthätigkeit folcher Mönchs-
colonien find uns nicht erhalten. Wenn im römifchen Liber pontificalis manche
griechifche Bezeichnungen, die fich auf Kunfl beziehen, vorkommen, fo ifl
auch darauf nicht viel Gewicht zu legen, denn gewiffe technifche Ausdrücke
waren, wie heute, fo auch damals den Völkern gemeinfam. Daffelbe gilt von
manchen kirchlichen Formeln, von Namen aus der heiligen Schrift. Wie feit
Entftehung des Criftenthums ein aus den griechifchen Initialen des Namens
Chriflus gebildetes Monogramm gebräuchlich war, fo beweifen auch in der
Folge einzelne biblifche Namen und Worte in griechifcher Schrift noch nicht
immer die Urheberfchaft eines Griechen 2).
Unzweideutige Zeugniffe von byzantinifchen Kunfteinf-lüffeil werden uns
aber zu einem etwas fpäteren Zeitpunkte durch die Gefchichtsquellen wie
durch die Denkmäler felbfl geliefert, flellenweife feit dem 10., in noch gröfserem
Umfange feit dem II. Jahrhundert.
Venedig. Venedig, das vorzugsweife den Seeverkehr mit dem Oflen in der Hand
hatte, führte fortwährend Luxusartikel und damit auch Kunftgegenftände aller
Art aus Byzanz ein. S0 lag es nahe, auch monumentale Kunftgegenftände,
welche die grofsen öffentlichen Denkmäler der Stadt fchmücken follten, in
Conftantinopel, wo man fie für Geld in gröfster technifcher Vollendung haben
konnte, machen zu laffen. Die Beftellung des grofsen Emailaltars in der
St. Marcuskirche, der Pala d'oro, geht Wahrfcheinlich fchon auf den Dogen
Pietro Orfe 010 (976) zurück, mag das Werk auch erft durch eine Herftellung des
I2. Jahrhunderts in feine jetzige Form gebracht worden fein. Als im II.Jahr-
hundert der Neubau des gröfsten Heiligthumes der Stadt, der Marcuskirche, flatt-
fand, wurde fie in der "Anlage und in den Formen der byzantinifchen Kunft ausge-
führt, wodurch fie in Italien vereinzelt dafleht. Wie ihre Säulen aus Griechen-
land importirt wurden, fo zeigen auch ihre Detailformen und ihre Decoration
den Stil byzantinifcher Kunft. Daneben finden Wir die Belege für künfllerifche
SüdimliernBeftellungen in Byzanz befonders noch in Süditalien, und die wichtigflen
erhaltenen Denkmäler, die von dort kamen, find verfchiedene eherne Thüren,
Byzalntini- nicht in getriebener Arbeit, wie die italienifch-barbarifchen Thüren der Kirche
Erzfhiiärcn. S. Zeno in Verona, fondern mit Bildern in eingravirten und mit Silber ausgelegten
Unlriffenanach dem Mufler orientalifcher Tauschirarbeit. Die meiften fmd nach
infchriftlichem Zeugniffe Stiftungen von Mitgliedern der reichen und berühmten
Familie der Pantaleonen in Amalfi, einer Stadt, die bis um das Jahr 1135
durch Handel und Schifffahrt mit Genua, Pifa und Venedig in einer Linie
ftand. Vor 1066 war die Thüre des Domes in Amalfi fertig. Nach ihrem
Mufler und aufKoPcen des Maurus, Sohnes des Pantaleon, liefs Abt Defiderius
von Monte Cafino die Thüren feiner Abteikirche in Conftantinopel fertigen,
wohin er, nach dem Zeugniffe feines Biographen Leo, die Mafse fchickte;
I) Alzaßrzßux, Lib. ponL, bei [lfumlari rer. it. SS. III, S. 173.
2) Die byzantinifche Frage für Italien iPc behandelt von lllumiori, Antiquitates Italicae, vol II,
Mediol. 1739, dissertatio XXIV, von 18211210111; Bd. I, cap. VII, S. 232 und von Sßlmaafe IV, 699
und VII, S. 237.