Volltext: Die Malerei des Alterthums (Bd. 1)

Mittelalter. 
Das hohe 
Italien. 
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Umriffe lind derb gezogen und roh colorirt, die Figuren ohne feftftehendes  
Verhältnifs und ungefchickt, die Köpfe vollkommen ausdrucklos, aber die 
Motive hie und da von einer anfchaulichen Bewegtheit. In den ornamentalen 
Umrahmungen des Textes wie in den Initialen macht {ich die Nachwirkung 
der karolingifchen Miniaturmalerei geltend. 
Da es nicht nöthig ift, noch mehr von diefen rohen italienifchen Minia- 
turen zu erwähnen, fei nur noch die von 1115 datirte vaticanifche Handfchrift 
von Donizo's Lobgedicht auf die Markgraf-in Mathilde genannt 1). Diefes Glgcäigiiztolgluf 
XIVerk, das für die Markgräfin felbft hergeflellte, von dem Autor, einem Mönche Ivhrhikle. 
in Canoffa, corrigirte Exemplar, fleht zwar ebenfalls auf einer tiefen Stufe, ift 
aber wenigfiens nicht ganz fo forglos gemacht. Das Dedicationsbild zeigt die 
thronende Mathilde nebfi Donizo, der ihr das Buch überreicht; die übrigen 
Bilder geben ihre Genealogie, Mitglieder ihrer Familie in verfchiedenen Situa- 
tionen. Dasjenige, auf welchem oben Markgraf Tebaldus und die Gräün Julia 
thronen, unten deren Söhne dargeftellt lind (Fig. 95), gewährt ein charakte- 
riftifches Beifpiel. Die {tehenden Figuren fmd Reif, die iitzenden zu fehr in 
der Fläche gehalten, fchablonenhaft und doch zum Theil geziert, wie Tebaldus 
durch feine unmögliche Beinfiellung. In den Gefichtern geht ein dürftiges 
Schema mit weichlich rundem Oval und kurzen Nafen durch; zu der Aus- 
drucksloligkeit der Köpfe kommt das fchwerfällige Ungefchick der Geberden; 
die Coftüme lind fauber ausgeführt, hängen aber roh und formlos an den 
Körpern ohne jenen Verfuch eines Faltenwurfes. Nur fchwarze oder rothe 
Striche deuten die Falten, grobe, unvermittelte rothe Flecke den Fleifchton 
an, und trotz gleichmäßiger Behandlung in Deckfarben ift das Colorit hart 
und grell. Die Bilder fmd ebenfo- barbarifch, wie die Latinität des Gedichtes. 
Byzantinifcher 
Einflufs. 
Unteritalien. 
Aus diefer Roheit der Auffaffung und Technik fich felbPc herauszuarbeiten, 
waren die Italiener unfähig. Beffere Leiilungen entPcanden hier erft feit dem 
Auftreten eines byzantinifchen EinHufses. Auch in Deutfchland hatten wir 
folchen wahrgenommen, aber während er dort durch die rechtzeitige Vor- 
führung guter Mufter dem felbfiändigen Schaffen einen Impuls gab und immer 
verarbeitet zu Tage trat, ohne zu einer wirklichen Abhängigkeit von der 
fremden Kunft zu führen, war in Italien das Verhältnifs ein anderes. Die Ein- 
Wirkungen der fremden Kunfi: erfetzten hier dic eigene Productionskraft Pcatt 
fie anzuregen. 
Man iPr, wie wir gefehen haben, oft zu weit gegangen, wenn man byzan- Beziehungen 
tinifche Eintlüffe fchon in viel früherer Zeit wahrnehmen wollte. Selbft in der z" 13mm 
Periode, die dem BilderPcreite zunächft folgte, kann von folchen kaum die 
Rede fein, wie uns die Denkmäler gelehrt haben. Allerdings dauerten die 
Beziehungen zu Byzanz trotz aller Gegenfatze fort, durch die politifche Ver- 
bindung eines Theiles von Italien mit dem öftlichen Kaiferreiche, durch Pilger- 
fahrten, Gefchäftsreifen und Handelsverkehr. Ebenfo ift es Thatfache, dafs 
zahlreiche byzantinifche Mönche in den Tagen des Bilderftreites nach Italien 
1) Nr. 4922.  Mon- 
Gefchichre d. Malerei. 
Germ. 
XII. 
348 
mit drei 
Tafeln. 
A gfnrourt 'l'af. 
2 1
	        
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