Mittelalter.
Das hohe
Italien.
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Inmitten diefer Zerrüttung war nur Ein Element fähig, zum Träger des Sädlgifches
Culturlebens zu werden: die Städte, die fich im Gegenfatze zu dem Lehens- C m
flaat entwickelten, auf der Tradition der antiken Municipalverfaffungen, auf
römifchem Rechte und geordneter Finanzwirthfchaft ruhten. Sie behaupteten
fich zunächft felbftändig in ihren kleineren Bezirken, bis fie in der zweiten
Hälfte des I2. Iahrhunderts durch Bündniffe unter einander zu umfaffender
politifcher Macht gelangten; und {ie bilden nun auch die eigentlichen Sitze
der Kunft, die in Italien nicht vorzugsweife von der Kirche beftimmt oder
von den Höfen gefördert wurde. Der durch Arbeit, Gewerbe und Handel
begründete Wohlftand der Städte fowie ihr ftolzes Selbftbewufstfein riefen die
künftlerifchen Schöpfungen hervor, welche auch da, wo ihre Beftimmung eine
kirchliche war, den Charakter öffentlicher Denkmäler des Gemeinwefens hatten.
Neben den Städten machten fich dann einzelne hervorragende Klöiter, die als
freie geifiliche Gemeinwefen daftanden, auch künfilerifch geltend.
Diefe Beftrebungen kamen in erfter Linie der Architektur und der Decora- Baukunll.
tion zuitatten. Freilich was die romanifche Baukunft des Nordens auszeichnete,
die organifche Ausbildung der Conftruction und Gliederung, die trotz gewiffer
localer Verfchiedenheiten einheitliche und confequente Entwicklung, fehlte
hier. Die einzelnen Landfchaften bewahren in Italien ihren befonderen Cha-
rakter und haben höchfiens in ganz allgemeinen Zügen Verwandtfchaft.
Die architektonifchen Schöpfungen, mögen fie nun in manchen Gegenden
als reine Fortfetzung der altchriftlichen Bauweife erfcheinen, oder in anderen
Theilen des Landes Einflüffe der deutfch-romanifchen, der byzantinifchen und
der arabifchen Kunft zeigen, gewähren durch die Mannigfaltigkeit der Anlage
die glücklichen Verhältniffe, in denen floh oft die natürliche Begabung der,
einzelnen Meifter ausfpricht, und die Pracht der Decoration, in welcher die
Erbfchaft antiker Technik und Formenfprache erhalten bleibt, ein befonderes
Intereffe. Dagegen bleiben Plafiik und Malerei aufeiner ungleich tieferen Stufe Iälaärlräifäma
und beharren bei gröfserer Roheit und Formloligkeit, als die primitiven Leifiun-
gen der nördlichen Völker. Während in diefen wenigftens geifiige Intentionen
und ein kräftiges Ringen nach Ausdruck lebendig find, wird hier nur rein
mechanifch, aus technifcher Gewöhnung heraus producirt, und das Gefchaffene
trägt den Stempel dumpfer Gleichgiltigkeit und abgeftumpfter Empfindung.
Wo fich aber der Sinn für Befferes regt, fuhrt derfelbe zunächft nur zur Er-
werbung einzelner fremder Kunftwerke. Die Handels- und Seeflädte, die, wie
Venedig, Genua, Pifa Amalh, mit fernen Ländern in Verbindung liehen und
den lxVeltverkehr in der Hand haben, benutzen diefen zum Import ausländifcher
Arbeiten, mit denen fie fich zufrieden geben 1).
Roher
Stil.
wo die Barbarei am fiärkfien war und fogar im architektonifchen Wimd;
mit CFCI
Unfähxgkelt auffallt, horen nach M1tte des 9. Jahrhunderts d1e um Rom.
In R0 m,
Schaffen die
I) 18111220111, Itzll. Pbrfchungen, I; Crawe u. Cawalrafelle I; Snlumzzfe Bd. IV. und VII. Für Unter-
italien: I]. W Schulz: Denkmäler der Kunfi des Mittelalters in Unteritalien, herausgegeben von
F. von Q1111]! 4 Bde. 4" und Atlas F01. Dresden 1860. Dernelria Säzlazzzra." Studj sni nmmunenti
(lella Italia meridioxmale da] IV. a1 XIII. secolo, I, Napoli 1871 fnL, II im Erfcheilmen.