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Buch.
Zweites
Periode.
Dritter Abfchnitt.
Angers im Unterfchiede von den älteren Werken geltend. Die Dimenfionen
find mäfsig; der gemufterte Grund, in rothen, fich rautenförmig kreuzenden
Streifen auf blau, innerhalb einer meift heller gefiimmten Umrahmung mit
Blattwerk, enthält neun Medaillons, die drei oberen mit Ornamenten, die
fechs unteren mit figürlichen Scenen. S0 zeigt ein Fenfter (Fig. 93) die Ver-
kündigung, bei Welcher der Abt niedergeworfen zu Marias Füfsen liegt und
dabei feltfam über den Rahmen hinausragt; die Anbetung der Könige und
zwei fymbolifche Darftellungen: die Bundeslade, aus welcher das Kreuz empor-
wächil, oben die Halbfigur Chrifti, in den Ecken die Symbole der Evangeliften;
ferner Chriihis, auf der Bruft ein Rad mit den lieben Gaben des heiligen Geiftes
in Geftalt von Tauben, die Synagoge enthüllend und die Kirche krönend.
Die zwei unterflen Bilder aus der Legende der thebaifchen Legion gehören
nicht hieher, wie denn auch in ein anderes Fenfter mit Scenen aus der Ge-
fchichte des Mofes eine apokalyptifche Darflellung eingeflickt iPc, die urfprüng-
lich einem anderen Fenfier angehörte. Mehrere Fenfter find rein ornamcntal
gehalten, nur mit Greifen in rautenförmigen Feldern.
Clhqftrfgs, Einen entfprechenden Stil zeigen einige Fenfier in Saint-Pere (Pierre)
zu Chartres, aus der Zeit des Abtes Stephan I. (1172-1193) und in der
VendömmAbteikirche de la Trinite zu Vendöme, um 1180, wo eine Madonna mit
dem Kinde in der von vier Engeln getragenen Mandorla als früher Verfuch
einer gröfseren Compofition merkwürdig ift, aber durch Starrheit und unnatür-
lich in die Länge gezogene Proportionen abftöfst 1). Die wiehtigften Denk-
mäler diefes Zeitraumes fmd endlich drei grofse Fenfier in der Weftfront der
Chartres, Kathedrale von Chartres, die noch aus der Zeit des um 1145 begonnenen
Kmhed"le'Frontbaues herrühren. Das mitteilte enthält unten in wechfelnden runden
und quadraten Feldern Darftellungen aus der Gefchichte Marias und Chrifli,
während der Obertheil durch eine Madonna, der in Vendöme verwandt, ein-
genommen wird. In den beiden Seitenfenfitern iind der Stammbaum Chrifii,
ähnlich wie auf der Hildesheimer Decke, und die Paffion in kleinen Rund-
bildern zu fehen. Nur die Madonna ifl von einer alterthümlichen Starrheit,
die etwa auf der Stufe der älteften Portalfculpturen von Chartres ficht; alle
kleineren Bilder lind bereits freier, und an Farbenfchönheit überftrahlen diefe drei
Fenfter alle übrigen, der Blütezeit gothifchen Stiles entftammenden in derfelben
Kathedrale 2). Während der ältere romanifehe Stil feine kleinen Fenfier mit
Einzelfiguren füllte, hatten im fpätromanifchen und primitv gothifchen Stile
des I2. Jahrhunderts die gröfseren Fenfier zu einer anderen Anordnung ge-
nöthigt, und fo war der eigentliche Teppichftil, wie ihn die zuletzt gefchil-
derten Denkmäler zeigen, ausgebildet worden, in welchen die figürlichen Dar-
ftellungen überwiegend i_n kleine Medaillons und Füllungen verlegt lind, und im
Ganzen eine rein ornamentale Anordnung durchgeht.
England, In England, wo die Glasmalerei mit dem frühgothifchen Stile von Frank-
reich her eindrang, entfprechen die in den Seitenfchiffen des 1180 vollen-
Chartres
Samt-Päre.
Vend öme.
1) Neben Lasteyrie auch Abbild. bei Gailhabaud, L'Architecture etc. II, Tat". 77 f.
2) Vorzügliche Reproductionen bei Y. B. A. Lassu: und A. Dzwal, Monographiede 1a. Calhä-
drale de Chartres.