Volltext: Die Malerei des Alterthums (Bd. 1)

Die 
ägyptifche Malerei 
dige Vorftellung von den Göttlichen vermag fie uns nicht zu verfchaffen. Auch 
die Darftellung des geiftigen Lebens der Menfchheit ift ihr fo gut wie ganz 
verfchloffen. Aber felbft das körperliche Leben der Menfchen, deffen freie Thiere. 
Schönheit erft anfängt, wo die Feffeln des Conventionalismus abgeftreift lind, 
vermag fie nur in unzulänglicher Weife zu veranfchaulichen. Weit weniger tritt 
uns diefer Mangel bei den Thiergeftalten entgegen, aus demfelben Grunde, wie 
man mit Recht hervorgehoben hat, aus welchem es Vielen. von uns auch heut- 
zutage noch genügt, Thiertypen anitatt Thierindividualitäten zu fehen. Die 
Thiertypen aber faffen die Aegypter wirklich ungemein lebendig und natürlich 
auf, und auch das einzelne Motiv aus dem Thierleben kommt oft ganz draftifch 
zur Anfchauung, fo, wo ein Kalb auf dem Ackerfelde mit aufgehobenern 
Schwanze fein Bedürfnifs befriedigt, fo, wo die Paviane in den Feigenbäumen 
litzen und Früchte ftehlen, oder wo die Gaisböcke an den Bäumen emporfpringen. 
Desgleichen ift das Pflanzenleben oft charakteriftifch genug dargeftellt. Pßßnlen- 
Wenn auch hie und da, wie auf einer grofsen Daritellung zu Karnak, die 
Baume fo unbeholfen gebildet erfcheinen, wie in einer alten Nürnberger Spiel- 
zeugfchachtel, fo fmd die Bäume an anderen Stellen, wie im Hofe des kleinen 
Tempels zu Beit-Ualli in Nubien aus der Zeit Ramfes' II., wieder fehr charak- 
teriftifch und natürlich. Die Palmenwälder, in welche die befiegten Neger {ich 
zurückflüchten, lind hier dargeftellt: die Palmbäume felbft, fruchttragend, breit- 
blättrig, fchuppenitämmig, lind fehr naturwahr veranfchaulicht, Affen ützen in 
ihren Kronen, in einer Umzäunung ift ein Weib mit häuslichen Arbeiten be-  
fchäftigt, andere Weiber und Kinder eilen den kläglich heranfiüchtenden 
Schwarzen entgegen. Alles wirkt zu einer lebendigen Vorftellung der tropifchen 
Wälder Acthiopiens zufammen. . 
Von eigentlichem Baumfchlag und malerifch zufammengefafsten Gruppen 
verfchiedener Bäume können bei der Gefamrnttendenz der ägyptifchen Kunft 
natürlich keine Spuren vorkommen. Gröfsere Gartenanlagen werden zwar 33221-1. 
abgebildet, aber in der angedeuteten Weife: in grundrifsartiger Ausbreitung 
mit den einzelnen im Aufrifs hineingezeichneten, aber nach beliebigen Rich- 
tungen gewendeten, wenngleich in der Regel doch aufrecht ftehenden Bäumen, 
Thoren, Pavillons, TopfpHanzen und anderen Gegenitänden. 
Das Waffer dagegen, das man nicht mit Unrecht das Auge oder die Seele Waffe" 
der Landfchaft genannt hat, vermag die ägyptifche Kunfl: ebenfowenig im 
höheren Sinne des Wortes zu charakteriliren, wie das Auge und die Seele 
des Menfchen. Vielmehr wird fie hier wieder völlig ftarr und conventionell. 
Jahrtaufende lang hat ein blauer Streifen, mit fenkrechten fchwarzen Zickzack- 
linien ausgefüllt, die Stelle des Waffers vertreten. Fifche, Krebfe, Schildkröten 
oder Flufspferde, Krokodile u. f. w. bezeichnen verfchiedene Wafferarten. 
Sumpfgegenden z. B. werden zur Genüge durch Schilf-, Lotos-, und Papyrus- 
dickichte und durch die Iie bevölkernden bunten Sumpfvögel charakterifirt, 
zu deren auf herabgebogenen Stengeln fitzenden, mit Eiern und Jungen gefüllten 
Neftern Iltiffe und lchneumone hinanlaufen. 
Eine Betrachtung der Farbengebung der ägyptifchen Malerei wird das 555323: 
bisher über ihren Charakter gewonnene Urtheil bellätigen. Von einer wirklich 
malerifchen Behandlung der Farbe kann faft noch weniger die Rede fein, als 
von einer pcrfpectivifchen Zeichnung. Da der zufammenhängende Hintergrund
	        
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