Mittelalter.
hohe
Das
Glasmalerei.
Die
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aber ein ebenfo lebendiger Wechfel der einzelnen Motive beftehen kann wie
in dem plaftifchen Detail der architektonifchen Glieder. Der decorative
Stil fordert eine forgfältige Vertheilung der Farben und eine feine Ab-
wägung derfelben gegen einander. Gröfsere einfarbige Flächen werden
vermieden, die Kraft der einzelnen Farben, wie fie fich nach dem verfchiedenen
Grade ihrer Ausftrahlung ergibt, ift für den Umfang, in dem fie angewendet
werden, wie für ihre Zufammenftellung befiirnmend. Neutrale Töne in fchmalen
Streifen mildern die Gegenfätze intenfiver Farben und ermöglichen ihre Ver-
bindung. Das Schwarzloth wird nicht blofs zur Zeichnung und Schattirung,
fondcrn auch zur Abtönung verwendet. Die Gründe find nicht einfarbig,
fondern durch eine einfache und regelmäfsige, etwa rautenförmige Mufterung
gebrochen. Nur fo kann die Harke Leuchtkraft des Blau, das in dem Grunde
meift eine hervorragende Rolle fpielt, oder die intenfive Gluth des Roth ge-
mildert werden. Die Farbe des Grundes mufs in den figürlichen Compofitionen
felbft möglichfl vermieden oder wenigflens befchränkt werden. Wenn die
Gründe ruhiger und tiefer gehalten flnd, fo ift bei den Rändern eine lichterc
Haltung, verbunden mit mannigfaltigerem Wechfel in den Farben wie in den
Motiven der ornamentalen Zeichnung, am Platze. Selbft die fchweren Umriffe
der Bleifaffung und der derbe Vortrag in der Schattirung {ind ein Vorzug.
Die Wirkung in die Ferne, die Farbenpracht, bei welcher eine feine Zeichnung
undeutlich und fchwächlich wäre, verlangen diefe kräftige Vereinfachung.
Führt die Bedingung, dafs auf ein beftimmtes GlasPcück nur mit der einen
Farbe gemalt werden kann, zu gewiffen Behelfen, etwa zu jenen Brillen,
welche durch die Faffung der Augen und ihre Bleiverbindung mit der Faffung
des Gefichts entftehen, falls die Glasmaler das Weifs der Augen überhaupt zeigen
wollen, (Fig. 94) fo ergibt fich hieraus doch keine merkliche Störung. Wie die
Bleifaffung felbft zur Zeichnung wird, fo werden die wagerecht durchgehenden
Eifenftangen, welche alle etwas gröfseren Fenfter in kleinere Felder abtheilen,
oft Veranlaffung, die Compofitionen in diefe Unterabtheilungen einzufügen,
und fprechen dann als dunkle Linien in der Umrahmung mit. Das fichere Stil-
gefühl des Mittelalters wufste überall aus der Noth eine Tugend zu machen.
In den Hintergründen und Umrahmungen waltet zunächft nur eine flächen-
hafte, wefentlich textilen Muftern entfprechende Ornamentik. Werden architek-
tonifche Formen angewendet, fo darf dies nur fehr befcheiden und in einer
dem Flächenftil angemeffenen Behandlung gefchehen, fonft wird die Reinheit
des Stiles verletzt. Ebenfo fmd die Figuren {tets discret modellirt, f1e dürfen
nur in Einer Fläche ftehen, und die Compofitionen müffen in ruhiger Verein-
fachung gehalten und auf wenige Figuren befchränkt, dabei itets der Um-
rahmung ftreng eingeordnet fein, ohne fich je in anfpruchsvoller Selbftändig-
keit hervorzudrängen.
ErPc die Glasmalerei ifi dann im Stande, den farbigen Eindruck des InnefnPolyclxromie.
zu vollenden und ihm polychrome Harmonie zu verleihen. Die durchfichtigen
und die undurchfichtigen Theile des Baues werden durch die Farbe ein ein-
heitliches Ganzes, und die Pracht gipfelt in den gemalten Fenflern mit dem
durchfcheinenden Lichte.
Einzelne Refte aus dem II. Jahrhundert fmd fowohl in Frankreich wie lnjahrh.
in Deutfchland vorhanden, ja die deutfchen ünd wahrfcheinlich noch etwas Deutfchland.