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Zweites Buch.
Periode.
Dritter
Abfchnitt.
einft mit alten Lappen gefchloffen, jetzt die goldgelockte Sonne durch ver-
fchiedenfarbige Scheiben mit Malereien einfallen laffen, und nennt das einen
ungewöhnlichen Schmuck l). Ausdrücklich iPt aber von figürlicher Darflellung
die Rede, wenn der Mönch Richer von Saint-Remi zu Reims berichtet,
dafs BifchofAclalbero (968-989) die Fenfter der Kirche zuerft mit Scheiben,
die verfchiedene Hiftorien enthielten, ausgeitattet habe 2). Die Frage, 0b diefe
KunPc zuerft in Frankreich oder in Deutfchland betrieben wurde, ift vielfach
erörtert worden; neuerdings hat der Franzofe Labarte die Priorität Deutfchland
zuweifen wollen, während gerade deutfche Gelehrte, wie Schnaafe, iie Frankreich
zuerkannten. Mafsgebend ift jedenfalls, dafs Theophilus in feinem Lehrbuche
zweimal die Technik als eine vorzugsweife in Frankreich betriebene erwähnt
und die Franzofen in diefer Arbeit hocherfahren nennt 3).
ik. Die Technik, die Theophilus eingehend fchildert, blieb eine Verbindung
von Mofaik in gröfseren Glasftücken und von Malerei. Auf eine Tafel, welche
die genaue Vorzeichnung des Glasbildes enthielt, wurden die einzelnen Glas-
ftücke gelegt, die Umriffe wurden auf ihnen mit Hüfflger Kreide nachgezeichnet
und dann mit glühendem Eifen ausgefchnitten, da man die Anwendung des
Diamantes zum Schneiden des Glafes noch nicht kannte. Zur Färbung des
Glafes felbit hatte man verfchiedene Farben: Roth, Blau, Grün, Gelb, Violett.
Die zugefchnittenen Stücke wurden dann von neuem auf die Holztafel gelegt,
und die Zeichnung wie die Schattirung, die innerhalb der einzelnen anzu-
bringen waren, wurden jetzt in einer Schmelzmalerei ausgeführt, zu der man
nur Eine Farbe befafs, das Schwarzloth, beftehend aus Kupferoxyd nebft
grünem und blauem Glafe zu gleichen Theilen. Die Malerei wurde dann ein-
gebrannt und die einzelnen Stücke wurden durch Bleifaffung verbunden.
Theophilus gibt ferner an, wie durch verfchiedenartigen Vortrag aus diefer
Einen braunen Emailfarbe gewiffermafsen drei Farben zu machen feien, durch
dunkle Schraffirung oder durch gleichmäfsige Vertheilung des dünn aufge-
tragenen Tones, endlich durch Auskratzen aus demfelben. Diefe Technik erfuhr
bis zum Schluffe des I3. Jahrhunderts keine Modification, und fo einfach fie
ift, fo kommt lie doch gerade der wahrhaft flilgemäfsen Anwendung der
Glasmalerei entgegen, die in ihrer Reinheit diefes Verfahren kaum überdauert.
n. Wie der Teppichitil, der die Verzierungen und Geftalten an der Fläche
haften läfst, die decorative Wandmalerei des Mittelalters beftimmt, fo iit er auch
in der Glasmalerei mafsgebend. Jedes gemalte Glasfenfter macht den Eindruck
eines vor den Wandausfchnitt gehängten Teppichs, der nur eben den Vorzug
hat, durchfcheinend zu fein. Deshalb mufs zunächft jedes Feniler als ein
Ganzes behandelt, einheitlich umrahmt und harmonifch gegliedert fein; die
einzelnen zufammengeftellten oder einander entfprechenden Fenfter verlangen
ferner eine im Allgemeinen übereinitimmende Behandlung, innerhalb welcher
I) Vestris felicibus temporibus auricomus sol primum infulsit basilicae nostrae pavimenta per
discoloria picmrarum vitra, cunctorumque inspicientium corda pertentant multiplicin gaudia qui inter
se mirantur infoliti operis varietates. Pez, Thesaurus anecd. VI p. I, p. 122.
2) Quam fenestris diversas continentibus hifiorias dilucidatam u. f. w. Mon. Germ. III 613.
Andere Stellen bei Ungar a. a. O. S. 50.
3) Am Schluffe der Einleitung: nQuidquid in fenestrarum pretiosa varielate diligit Frnncianw
Buch II, cap. XVII; nFranci in hoc opere peritissimim