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Zweites Buch.
Periode.
Zweiter Abfchnitt.
bildet eins der vornehmfien Beifpiele architektonifch-ftrenger Dispofition und
kunfivoller Gliederung in der gefammten mittelalterlichen Malerei. Die Haupt-
geftalten erheben {ich zu edler Würde, trotz der fchweren Umriffe und des
oft zu reichen Faltenwurfes ift die Zeichnung ficher und gediegen, die fatte
Färbung von kräftiger Harmonie.
äfelbildsr- Um diefe Zeit kamen in den Kirchen auch felbfiändige Tafelbilder auf,
aber zunächft nicht als Altarauffätze, fondern als Antepcndien, die als Erfatz
eines Teppichs den unteren Theil des Altartifches bekleideten. Zwei Werke
diefer Art aus Soeft gehören dem Anfange des I3. Jahrhunderts an. Das eine,
lflmne" früher im Walpurgisklofter, jetzt im Mufeum zu MünPter, enthält den thronen-
den Chriftus und vier Heilige 1); das andere, ehemals in der Wiefenkirche,
Berlin. jetzt im Mufeum zu Berlin 2), zeigt in dem Mittelbilde die tigurenreiche
Kreuzigung, auf der auch die Perfonificationen der Kirche und der Synagoge
vorkommen, in den kreisförmigen, quadrat umrahmten Seitenfeldern Chriftus
vor Kaiphas und die Marien am Grabe. Die Gemälde find auf Goldgrund
ausgeführt, mit kleineren Bildern in den Zwickeln und mit fchönen Blattwerk-
Einfaffungen verfehen. Zu dem fitzenden Engel auf dem Grabe hat ein byzan-
tinifches Motiv, das die abendländifche Kunft aufgenommen und öfter ver-
wendet hat, als Vorbild gedient, aber das künitlerifch Bedeutende deffelbcn,
das leife geneigte Haupt, die edle Ruhe der Haltung, die über den Schofs nach
rückwärts zeigende Hand, verwerthete der Maler mit eigener Empfindung,
und die länglichen Figuren in ihrer forgfam durchgebildeten Gewandung fmd
von feinem Gefühlsleben durchdrungen (Fig. 91).
Liine. Das etwas fpätere Antependium der Damenfliftskirche zu Lüne bci
Lüneburg, das in der Mitte die Dreifaltigkeit mit dem Gekreuzigten, feitwärts
vier Bilder aus der Kindheit Chrifii und vier aus der Paffion enthält, zeigt
noch einen ähnlichen Stil der Figuren, aber fchon in Verbindung mit gothifchen
Worms. Architekturformen. Auch im Dome zu Worms, in der Taufcapelle, kommen
zwei Tafelbilder aus der Mitte des 13. Jahrhunderts vor, einerfeits mit Petrus
und Paulus, andererfeits mit Stephanus und einem heiligen Bifchofe, fo dafs
fie die beweglichen Schutzthüren eines Schreines oder einer plaftifchen Figur
gebildet haben müffen.
zreilggzäxlliln. Refte eines fieinernen Antependiums fmd zehn Schiefertafeln mit Apofleln
in S. Urfula zu Köln, die eine auf der Rückfeite mit der Jahrzahl 1224.
Sie find in Temperafarben mit fchweren Contouren auf blauem, einft mit ver-
igoldeten Rofetten gefchmückten Grunde gemalt.
I) Liiölae, Weüfalen, S. 334. Abbildung bei Didrzm, Annales, XVII, S. 180.
2) Vorläufig noch nicht aufgefüllt. Abbildungen bei v. Quaß u. Ottz, Zeitfchrift,
Taf. I 5, I6, wiederholt bei E. Föffler, Denkmale, VIII.
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