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Buch.
Zweites
Periode.
Zweiter Abfchnitt.
in das Mittelfchiff blickt, erhebt {ich ein Bau VOn fieben fchlanken Arcaden
auf Stufen, die mit den Löwen des Salomonifchen Thrones gefchmückt lind,
und enthält in der Mitte die {itzende Madonna mit dem Kinde, über deren l-laupte
fieben Tauben, die Gaben des heiligen Geiftes, hinter der Rücklehne und feit-
wärts acht gekrönte Frauengeftalten als Sinnbilder der Tugenden (Fig. 89).
In den Bogenzwickeln unter dem Throne lind zwei kleine Stiftergefialten
angebracht: Bifchofi Dietrich von Salzburg 1) und der dortige Dompropft
Otto, der 1214 zum Bifchofe gewählt wurde und vor der Weihe ftarb; die
Mitra ift neben feinem Haupte, nicht auf demfelben zu fehen. Mit den ein-
fachilen Mitteln iit hier Pracht und Würde der Anordnung erreicht, die
Geberden lind ausdrucksvoll ohne alle Härte, der Uebergang zum gotlii-
fchen Stile verkündigt llCll in der vollen, fcharf gebrochenen Gewandung, den
fchlanken Proportionen, den eleganten Architekturformen mit ganz fchlanken
Säulen und reicher Bogengliederung, befonders aber in dem Ausdrucke tiefe-
rer Empfindung, welchen der Maler bei Maria, die ihr Kind liebkoit, be-
laufcht hat.
Die Bilder an den beiden anderen Wänden der öfilichen Abtheilung lind
nicht mehr erhalten, das Gewölbe zeigt nur noch drei von den Darftellungen
aus der Gefchichte Adams und Evas: die Erfchaffung des Weibes, die Ver-
mahnung des Paares, den Sündenfall; fogar im Nackten nicht ungefchickt.
Ein Gurtbogen mit der Himmelsleiter des Jacob führt zur öftlichen Abtheilung,
die in den drei Schildbögen den Zug der Könige, den Einzug in Jerufalem
und die Verklärung, darunter einen Fries mit Medaillons von Kirchenvätern
und Heiligen, und am Gewölbe das neue Jerufalem, mit Engeln, Apofteln und
vier gröfseren Thürmen, die zu dem mit dem Gotteslamme gefchmückten
Centrum auffieigen, in den Zwickeln endlich Propheten enthält.
Frßnkveißh- Nicht ganz fo häufig {ind die Wandmalereien in Frankreich; der Süden
ift am ärmiten; die wichtigften erhaltenen Werke kommen in den mittleren
Provinzen vor. Dem Anfange des 12. Jahrhunderts entliammen diejenigen in
der Capelle zu Liget (Indre et Loire) 2), fowie die Geftalten Chrifli und
mehrerer Heiliger in der alten Rundkirche Saint-Jean zu Poitiersß). Noch
Saint-Savin. entwickelter erfcheint der Cyclus der Kirche zu Saint-Savin im Poitou (Dep.
Vienne)4), wo die Architektur in allen Theilen farbig decorirt war. Die Vor-
halle enthält den thronenden Chriftus und Darftellungen aus der Apokalypfe,
im Innern find die Säulen und Archivolten mit bandartigen Verzierungen be-
malt, die Gewölbe des Mittelfchiffes enthalten Darfiellungen aus dem eriten
und zweiten Buche Moiis, denen im Chore {ich Bilder aus dem Neuen Tefita-
mente anfchliefsen. In der Krypta folgen die Legenden des Schutzpatrones
St. Savinus und des heiligen Cyprian. Die Compofitionen find von äufserfter
Schlichtheit, ftets nur in Einer Fläche gehalten. Die Schlankheit der Geftal-
ten, die bei aller Incorrectheit dreiften, mitunter fchon weichen Motive laffen
erft an das 12. Jahrhundert denken. Bei derber Aufzeichnung in rothbraunen
1) Es ifi zweifelhaft, ob Dietrich I. (1179-1194) oder Dietrich II. (1251-
2) ViolZet-le-Dzzr, Dict. raisonnä de Yarchitecture frangaise VII, 69.
3) Publicirt in den Archives de 1a commission des monuments hifioriques.
4) Märimfe: Notice sur les peintures de Snint-Savin. Paris 1845. fol.
Caumonl: Ahäcädaire, Arch. relig. S. 281 ff.
4279)-
Hßlzfchnitte
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