Kapitel.
Eriles
Lebendig-
keit der Be-
wegung s m0-
tive.
Symbol
Wangelnder
Gcflchtsaus-
druck.
mäfsigen, ftarren Zuge, wie denfelben Kanon des Körperbaues. So c0nven-
tionell aber diefe Körperformen aufgefafst find, fo frifch und lebendig lind oft
die Bewegungsmotive, nicht anatomifch richtig, aber fprechend und verftänd-
lieh. Bei ruhiger Stellung, auch Wohl langfam ausfchreitender Bewegung, be-
rühren freilich beide Fufsfohlen die Bodenlinie. Aber bei lebhafterer Bewegung
und befonders beim Lauf berührt der eine Fufs nur mit der Spitze die Erde;
die Arme, welche bei ruhiger Haltung ebenfalls ganz {teif am Körper herab-
hangen, werden zu den Bewegungsmotiven der verfchiedenften Hantirungen
verarbeitet, und ebenfo folgen die Beine diefen lNendungen. Die Aegypter
fmd auf diefe Weife im Stande, bildlich Alles klar und anfchaulich zu erzählen,
und wo ihre Naturbeobachtung nicht ausreicht, wird eine ebenfo anfchauliche
Symbolik zu Hülfe genommen, wie uns das befonders in den häufigen Dar-
Pcellungen entgegentritt, die den König als den Ueberwinder zahlreicher fremder
Völkerfchaften zeigen wollen. Die verfchiedenen Völker erfcheinen hier zu
einem Knäuel vereinigt, der faft ausfieht wie ein einziges, vielarmiges, viel-
beiniges und vielköpfiges Wefen, das der König bei den zu einem einzigen
Schopfe zufammengefafsten Haarzöpfen packt, um mit einem Schwerthieb die
Köpfe vom Rumpfe zu hauen. Der naturaliltifchen Abficht verliehen die
Acgypter, auch wo eine folche nicht durch die Vorfchrift beengt ilt, doch
eben nur in Einzelmotiven treu zu bleiben. Sobald fie fühlen, mit der ein-
fachen Wiedergabe von Beobachtetem nicht auszureichen, wie in allen gröfseren
Compofitionen, greifen fie theils zu einer Symbolik von der gedachten Art,
theils zu den Surrogaten der Perfpective, die eben befchrieben worden.
Bei ihrer mangelhaften Gabe der Individualilirung ift es den ägyptifchen
Malern natürlich auch unmöglich, ihre verfchiedenen Göttergeftalten durch
einen verfchiedenen, charakteriftifchen Typus von einander zu unterfcheiden,
wie die Griechen das fo herrlich vermocht. Die Symbolik, zu welcher die
Maler in diefem Falle greifen, mag ihnen felbii, ihren volksthümlichen religiöfen
Anfchauungen entfprcchend, ebenfalls klar gewefen fein. Sie drücken die Ver-
fchiedenheit der Götter nämlich durch verfchiedene Thierköpfe aus, welche
den menfchlich geftalteten Leibern aufgefetzt werden, und zwar in höchlt
unorganifcher und gefchmacklofer Weife, wie z. B. der dünne Ibishals des Gottes
Thot lächerlich und gefpenfiifch zugleich aus den breiten Schultern des
Rumpfes hervorwächft.
Vor allen Dingen fehlt den Aegyptern die Fähigkeit, den menfchlichen
Zügen einen den verfchiedenen Seelenfiimmungen entfprechenden Ausdruck zu
verleihen. Unbeweglich und ftarr, hat vielmehr das eine Geficht faft Pcets
denfelben Ausdruck, wie das andere. Ob der Herfcher betet und opfert oder
in wildem Schlachtgetümmel feinen Feinden gegenüberlieht, ob er als trium-
phirender Sieger daherfährt oder als rächender Gott ein Strafgericht abhält, ftets
zeigt fein Antlitz die gleichmäßige conventionelle Ausdruckslofigkeit, hinter der
wir heutzutage ein fmnlich in fich felbft befriedigtes Lächeln zu erkennen glauben.
Die Geberden, befonders der Arme, die flehend erhoben, abwehrend ausge-
iireckt, drohend gefchwungen oder fonft wie bewegt fein können, fpiegeln im
Uebrigen allein die geifiige Bewegung der Geftalten wieder.
Aus allem Gefagten geht fchon hervor, dafs die ägyptifche Kunlt immer
unzulänglicher wird, je höher fie emporfteigt. Eine auch nur annähernd wür-