Das hohe Mittelalter.
Mofaik ,
textile Kunß, Wand-
und
Tafelmalerei.
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wir fehen, wie die Menfchen Bäume fällen, zimmern, kochen, tafeln, kämpfen.
Jede Handlung entwickelt (ich in kräftiger Naivetät. Der Bilderfries ift oben
und unten von einem breiten Rande mit {tililirten Thieren und Ungeheuern
eingefafst; nur bei der Schlacht am Ende wird die Erzählung fo lebhaft, dafs
an deren Stelle die Kämpfer und die Gefallenen auch bis in die" Bordüre
Vorrücken.
Ein Lieblingsgegenfiand für die textile Kunfi: war die von MaYClanUSTeppiche in
Capella befchriebene Vermählung des Mercurius mit der Philologie. Diefe Quedlinburg
fowie andere mythologifche Geitalten und Perfonificationen der Tugenden
lind auf den gewirkten Teppichen im Schätze der Schlofskirche zu Quedlin-
burg dargeftellt. Es {ind offenbar diefelben welche, nach älteren Chronik-
angaben, die dortige Aebtiffin Agnes (um 1200) mit ihren Jungfrauen ange-
fertigt hatte. Bei unverkennbarem Anfchlufs an ältere Vorbilder zeichnen fie
{ich durch glückliche, lebendige Motive und freiere Behandlung aus l).
In der eigentlichen monumentalen Malerei konnte das Darftellungsver- wand:
mögen der Zeit frch denn doch bequemer ausfprechen. Von der Wand-mmm
malerei romanifchen Stils ift ungleich mehr als von den Arbeiten der textilen
Kunfi übrig geblieben; aber das Erhaltene ift trotzdem nur ein geringer Reit
von dem, was einft vorhanden war. Emeric David, Fiorillo und nach ihnen
Kugler haben aus den Gefchichtsquellen Nachrichten über die Ausführung von
Wandmalereien an den verfchiedenften Orten zufammengeftellt. Es ift unnöthig,
diefe Notizen zu wiederholen oder zu vervollftändigen, denn folche Arbeiten
entftanden eben überall. Ein Denkmal romanifchen Stiles war ohne die Aus-
malung überhaupt nicht fertig. Die grofsen Wandflächen in den Kirchen, den
Kreuzgängen der Klöfter verlangten eine malerifche Decoration. Spätere
Jahrhunderte haben die Refte derfelben ebenfo wie die Polychromie des Innern
überhaupt getilgt, aber wo man heute die Tünche entfernt, findet man die
Spuren der alten Bilder, die dann freilich verwittert und verblafst (ind, und
deren Herftellung immer eine Trübung ihres eigenthümlichen Charakters wird.
Die ChroniPren geiftlichen Standes nehmen häufig von folchen Arbeiten Notiz,
deren Stiftung ihnen der Erinnerung werth fchien; in einzelnen Fällen geben
{ie uns fogar ausführlichere Schilderungen der Gegeniiände und der Anordnung.
Der Kreis der Darfiellungen iPt derfelbe wie in der altchriftliehen und byzan-
tinifchen Kunft und wird höchfiens um die Geflalten und Legenden anderer
Heiliger bereichert. Da kommen würdevolle Einzelfiguren und repräfentirende
Gruppen, dann auch erzählende Darftellungen, meifi figurenreich, bei einer
Fülle aneinandergereihter Momente, vor. Die Ausführung gefchah in fchneller Technik und
Handfertigkeit. Naturftudien wurden zu dem Zwecke nicht angefiellt, dafür Behamuung"
traten ältere Vorbilder und Reminifcenzen ein, und wenn bei dem rafchen
Betriebe der Arbeit auch zahlreiche Gehilfen verwendet werden mufsten, fo
unterfchied {ich doch auf folcher Stufe der Ausbildung die Schülerhand ver-
hältnifsmäfsig wenig von der Hand des Meifters.
Auf die verputzte WandHäche oder Gewölbekappe wurde die Zeichnung
in dicken, meift fchwarzen Umriffen hingefetzt und in einfachen Tönen ohne
feinere Nüancen, beinahe ohne Schattirung, colorit. Heiligenfcheine, Bor-
1) lfuglßy:
Schriften,
583,