Volltext: Die Malerei des Alterthums (Bd. 1)

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Zweites Buch. 
Periode. 
Zweiter 
Abfchnitt. 
Die Schule, die hier auftritt, ifi von der norditalienifchen unabhängig; die Pro- 
portionen find fchwankend, die Gewandmotive ganz unverfianden; fchwarze 
Umriffe find auch hier verwendet, aber die Marinortechnik ift eine höchft 
forgfältige. Im nördlichen Frankreich befafs einft die Kirche Saint-Remi 
in Reims einen im Jahre 1090 gelegten Mofaikboden1), welcher aufser bib- 
lifchen Gegenfiänden die auf dem Okeanos thronende Erde, die vier Para- 
diefesi-lüffe, die Jahreszeiten, die Monate, den Thierkreis, die Cardinaltugenden 
und die lieben freien Künlie enthielt. 
Solche Bodenverzierungen blieben in Frankreich gebräuchlich und gingen 
hernach fogar in die Architektur gothifchen Stiles über, waren dann aber meift 
in Ziegeln hergeftellt und im Stil rein ornamental. Ein Surrogat für die Mo- 
faik bildete die im Jahre 1122 hergeftellte Fufsbodenbekleirlung des Domes 
in Hildesheim, von der noch Refie übrig fmd, eine in Gypsgrund vertiefte, 
mit fchwarzer Maffe ausgegoffene Zeichnung verwandten Gegenftandes. 
äifäge Während der fteinerne Teppich dem Fufsboden allein vorbehalten blieb, 
 fiel der Schmuck der Wände dem eigentlichen Teppich, der textilen Kunft, 
oder ihrem Erfatze, der Malerei, zu. Die koftbarften Luxusgegenitände an 
Teppichen und gefiicktcn Gewändern lieferten noch immer Byzanz, der Orient, 
dann Sicilien, wohin die byzantinifche Seidenweberei verpflanzt worden war, 
aber auch in den nördlichen Ländern wurde diefe ngriechifche Arbeite 2), 
wenngleich mit geringerer Kunfifertigkeit betrieben. Die Mufler der impor- 
tirten Webereien und Stickereien, ihre heraldifchen Thiere, ihr ftilifirtes Blatt- 
werk, wurden nachgeahmt. Man verfuchte fich auch in felbfländig erfundenen 
Compofitionen heiligen oder profanen Inhaltes, bei denen eine künftlerifch 
noch wenig entwickelte Zeit den Vorzeichnungen auch mit der Nadel nahe- 
zukommen fuchte. Vielfach war die Ausführung eine Frauenarbeit, die von 
Nonnen oder von vornehmen Damen geübt wurde, aber auch Mönche gaben 
{ich mit diefer Technik ab und fertigten die Vorzeichnungen wie die Sticke- 
reien felbft an. Ausdrücklich wird das von Bruder Bcretlza im Ulrichsklofier 
zu Augsburg berichtet, der hier im I2. Jahrhundert drei prächtige Fafien- 
teppiche im Auftrage der Aebte herftellte 3). 
pichvon Unter den Teppichen, die zur dauernden oder vorübergehenden Deco- 
"Im" ration der Säle und Gemächer oder des unteren Kirchenraumes dienten, bil- 
den manche fchon durch ihre Gegenftände eine wichtige Ergänzung zu den 
Denkmälern der eigentlichen Malerei; vor allem die berühmte Tapifferie 
von Bayeux4) im dortigen Mufeum, einft in der Kathedrale, eine Stickerei in 
verfchiedenfarbiger Wolle auf Leinwand von bedeutendem Umfange, 66 Meter 
lang bei 54 Centimeter Höhe. Sie ifi ein künftlerifches wie ein gefchichtliches 
I) Didrolz, unnales archäologiques, X, S. 6! f. 
2) Bardo, bis 1031 Abt von Fulda, fpäter Erzbifchof von Mainz, {endet an Erzbifchof Aribert 
Gefchenke, unter denen auch von einem wwSarcile ex lana, Graeco facto opere, per manus Rohingiu 
die Rede ifi. Vita. Bardonis prolixior, cap. X, I. F. Bnelmzer: fontes rer. Germ. III. S. 226. 
3) Fr. WWlzelmi PVifI-zuer, Catalogus abbatum monaslerii SS. Udalrici et Afrae Augustensis, in 
Steirlzelz, Archiv für die Gefchichte des Bisthums Augsburg, B. III, befonders S. 132. 
4) Aclzille yubivzal; Les anciennes tappisseries historiäes etc. Paris 1838, I. Baud. -Treffliche 
farbige Reproductiun in verfchiedenelm Formaten, auch in Originalgröfsse, herausgegeben von der Arun- 
clel Sociely.  Für Anderes: (Äalzier et ilfarliu, m61. (Patch. B. II-IV, ätofies historiöes.
	        
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