Die
Niederlande.
Demfchg Die niederländifchen Gebiete, gröfstentheils zum Herzogthume Lothringen
1133111123112 und fomit zum deutfchen Reiche gehörig, zu einem kleineren Theile aber unter
rifflgl-[fräf franzöfifcher Oberhoheit, fmd bis zum Anfange des I3. Jahrhunderts kiinftlerifch
wefentlich von Deutfchland, ftellenweife auch von Frankreich befiimmt. Zu
Ende des 10. Jahrhunderts finden aber auch Einfiüffe des angelfächfifehen
Gefchmackes ftatt, wie in dem vom Grafen Dietrich dem Jüngeren von
Holland und feiner Gemahlin Hildegart um 977 in die Abtei Egmond ge-
ftifteten Evangeliarium der Bibliothek im Haag und in einem grofsen Pfalter
zu Boulogne 1), der von dem Schreiber flerivezrs unter dem Abte Odbert
(989-1008) in der Abtei Saint-Bertin bei Saint-Omer gefchrieben wurde.
Reiche Umrahmungen mit Geriemfel, romanifchen Pilaftern und Bögen fowie
filbernen Thieren umziehen die Ränder; die figürlichen Darftellungen, über-
wiegend Federzeichnungen mit wenig Colorirung auf farbigem Grunde," in
Zeichnung und Gewandung dem angelfächfifchen Stile verwandt, füllen meift
die phantaftifchen Initialen.
Im II. und I2. Jahrhundert ifi hier aber der eontinentale romanifche Stil
mit folider Gouachemalerei durchgedrungen, gewöhnlich in ziemlich derber Aus-
führung und mit kräftiger Geberdenfprache, wie in dem Codex nGregorii
moralia in Joba zu Paris 2), deffen Urfprung durch ein im Jahre I2I7 hinzuge-
fügtes Güterverzeichnifs mit flandrifchen Ortsnamen, wie Aloft, und Rechnungen
nach Brüffeler oder flandrifchen Pfunden nachgewiefen wird. Nur einige der
Federzeichnungen aus der Hiobgefchichte fmd ganz, andere theilweife colorirt.
Bei fchlechten Verhältniffen der Figuren, grofsen Händen und einförmigen
Köpfen mit krummen Nafen erkennt man das Streben nach draftifcher Hand-
lung und lebhaftem Ausdruck der Affecte in der Schilderung von Schreck und
Trauer wie vom dämonifchen Eingreifen Satans. Auf höherer Stufe fleht ein
Miffale aus der Abtei Stavelot im Sprengel von Lüttich (Brüffel, Bib. de Bour-
gogne, Nr. 2035) mit nur zwei Bildern, dem Gekreuzigten zwifchen Maria
und Johannes und dem Heilande in der Mandorla. Auch hier ift die Technik
einfach, blofse Federzeichnung mit leichter, gelegentlicher Colorirung, aber die
Compofitionen bauen {ich architektonifch fireng auf und die Köpfe find aus-
drucksvoll, wie der des Mondes bei der Kreuzigung.
Deutfchland
nach
Mitte
des
Jahrhunderts.
Zeit des
Invefiitur-
ftreites.
Während in Deutfchland neben den ausgezeichneteren Leifiungen der
Hofkunft immer noch eine Production von geringerem Durchfchnittsmafse, die
einfache Fortfetzung der im I0. Jahrhundert herrfchenden KunPc, fortgedaxiert
hatte, behauptet letztere etwa feit Mitte des II. Jahrhunderts allein das Feld,
als während der Minderjährigkeit Heinrichs IV. das Reich gefchwächt und
dann durch den Inveftiturftreit in feinen Grundlagen erfchüttert worden war.
Der verhängnifsvolle Kampf zwifchen Kaiferthum und Papüthum wurde in den
I) Bibl. müliiCipälle Nr. 26. Wißvrrooll F. S. Taf.
2) Bibl. nat, Iat. 15675; Ende des I2. Jahrhunderts.
Pal. Soc. Tuf. 97.
bei Louzmrlrn, arts
mptunires.