Volltext: Die Malerei des Alterthums (Bd. 1)

Das hohe Mitkelalter. 
Miniaturmalerei. 
Die 
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thümlichkeiten des angelfachfifchen Stiles, die haflige Bewegtheit, die fiatternde, 
kraufe Gewandung in vollfter Deutlichkeit wahrzunehmen, zugleich lind aber 
die Einwirkungen continentaler Kunft lebendiger, und es überrafchen nament- 
lich eine grofse Ausbildung des architektonifchen Gefühles und eine forgfame 
Colorirung in Deckfarben bei fein gebrochenen Tönen. Das Meifierwerk diefes 
Gefchmackes ift das Benedictionale des heiligen Aethelwold, Bifchofs 35311112220- 
von Winchefter in den Jahren 963-984 i), mit dreifsig gröfseren Bildern, vor Aerhelwold. 
970 von feinem Capellan Godemannzzs gefchrieben. Auf die fchön componirten 
Gruppen der Bekenner, heiligen Jungfrauen und Apoftel zwifchen kurzen 
Pfeilern mit breiten Blattwerkcapitellen und überhöhten Rundbögen oder {teilen  
Giebeln folgen Bilder aus der evangelifchen Gefchichte, von denen unfere Ab- 
bildung (Fig 73) die Himmelfahrt wiedergibt, Heiligengeflalten und legendarifche 
Scenen, unter ihnen der Tod Marias. Nahe verwandt lind diefem Buche ein 
Evangeliarium in Trinity College zu Cambridge (B. I0, 4) und das Miffale in 
der Bibliothek zu Rouen, das von dem 1053 geflorbenen Erzbifchof Robert 
von Canterbury in die Abtei Jumieges geitiftet wurde, aber fchon viel früher, 
Wahrfcheinlich unter Aethelgar, der im Jahre 989 vom Bifchofsiitze zu Win- 
cheiler auf den erzbifchöflichen Stuhl von Canterbury kam, in New lVlinPrer zu 
Winchefter gefchrieben ward. 2) Dort alfo War eine befondere Schule heimifch, 
deren Leiftungen die Höhe der damaligen englifchen Malerei repräfentiren. 
Nach der Unterwerfung Englands durch Wilhelm den Eroberer (1066) Noräiägni- 
endigt die eigenthümliche angelfächfifche Kunft. Das Volk, das fie erzeugt Eroberung- 
hatte, war nicht mehr das gebietende, fondern das unterjochte; in den Kreifen 
des Adels und des Klerus war das normännifche Element beftimmend, und 
künftlerifch beginnt nunmehr eine ftärkere Hinneigung zur franzöfifchen Schule. 
Ornamentaler Reichthum und phantaitifche Initialen kommen dabei immer 
mehr in Aufnahme, die Technik ifl eine forgfältige Malerei in Deckfarben, 
die oft ungewöhnliche Kraft und Sättigung erreicht; nur die Zeichnung bleibt 
immer noch dürftig. Diefe Eigenfchaften befitzt der Jefaias-Commentar 
des heiligen Hieronymus zu Oxfordil), vom Ende des I2. Jahrhunderts, mit 
der Darftellung des llluminators Hugo in Mönchstracht; auch zahlreiche Bücher 
aus dem Anfange des I3. Jahrhunderts find noch im felben Stile gehalten: der 
Pfalter des Robert de Lindesey, Abtes von Peterborough  1222) 4), die 
dreibändige Bibel der Bibliothek Sainte-Genevieve zu Paris (A. L. 5), an deren 
Ende fich ein jlflanerius von Canierbuzjl als Schreiber nennt, die zweibändige 
Bibel in der Nationalbibliothek dafelbft 5). Die Canones, die hier dem Neuen 
Teitamente voraufgehen, enthalten, was ungewöhnlich iit, biblifche Scenen im 
Tympanon. Unter den phantaftifchen Initialen kommt auch ein P vor, das 
Von einem fpringenden Kentauren getragen wird.  
I) Chatsworth, Bibliothek des Herzogs von Devonshire.  Aufser den fhrbigen Proben bei I1. N. 
llzzmphrejls und 147231100011 vollfiändige Publication von yolm Gage in der Archaeologia vol. XXIV. 
2) Aufser bei VWstwnad Abb. in der Archaeologia XXIV, zu einem Auffatze von 7. Gage, S. 118. 
3) Bodleian Libmry, 717. 
4) London, Sociely of Anliquarians.  I]. Sünw, Hie art of ilhuninaüng, p. I7. 
5) Lat. 11534, 11535; früher Saint-Germain xg, 20.
	        
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