Volltext: Die Malerei des Alterthums (Bd. 1)

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Zweites Buch. 
Periode. 
Erßer Abfchnitl. 
Roheit und zwar in den Proportionen wie in Gewandung und Bewegungen, 
meift mit zu kleinen Köpfen und jämmerlich gezeichneten Beinen, die auch 
bei der Anficht des Körpers von vorn gewöhnlich im Profil fiehen. Grofse 
Mjgrituvlgelo- Initialen einfachfter Art findet man in dem 919 gefchriebenen Martyrologium 
Londvn- aus dem Klofter S. Pedro de Cardena. 1) Durch befonderen Bilderreichthum 
zeichnet {ich der von Beatus Presbyter in der Abtei Valcarado verfafste Com- 
Aizijfdigrilrc. mentar der Apokalypse aus, im Jahre 1109 für die Abtei St. Sebafiian zu 
Silos in der Diöcefe Burgos gefchriebenß) Da enthält zum Beifpiel eines der 
Hauptbilder (F01. 83) den thronenden Gott Vater im Chriftustypus, umfchloffen 
von einem Runde, in einem oberen und einem unteren Streifen die 24 Aelteften, 
ganz unten den liegenden Johannes, deffcn Vifion dadurch angedeutet ift, dafs 
eine fchwarze Linie feinen Mund mit dem Adler zu den Füfsen des Herrn 
verbindet. Mitunter tritt hier auch der bartlofe Chriftustypus auf. Die Glieder 
können {ich überall aus den willkürlichen, fpiralförmig gefalteten Gewändern 
kaum entwickeln. Die Nafe i{t nur ein Strich mit unterem Schnörkel, die 
Stirn verfchwindend klein; die Geberden der riefigen Hände {ind völlig con- 
ventionell; es fehlt jede Modellirung. Während aber Zeichnung und Färbung 
 an irifche Mufter erinnern, hat {ich fchon ein cliefen fremder Sinn für archi- 
tektonifche Formen eingebürgert. 
Einllsiäävon Mehr und mehr beginnt dann, ganz wie in der Baukunft, eine Annähe- 
fraukreich. rung an die füdfranzöfifche Richtung, wie in einer Apokalypse aus dem 
I2. Jahrhundert in Madrid. 3) Ein alterthümlicher Gefchmack bleibt auch noch 
im I3. Jahrhundert beflehen, wie in einer 1240 gefchriebenen Vulgata mit 
zahlreichen Darftellungen auf Goldgrund ebendafelbPc.  
England. 
Yvgqndlung Die ältere, vom irifchen Gefchmacke beltimmte Richtung in der angel- 
Äääfliilri fächiifchen Miniaturmalerei überlebte das 9. Jahrhundert kaum. Einfliiffe der 
was karolingifchen Kunft waren eingedrungen, in das Ornament wurde das Blatt- 
werk aufgenommen, die Initialen näherten {ich dem continentalen Stile, die 
Figuren wurden der bisherigen Verfchnörkelung entzogen, und fo begann eine 
zweite Periode angelfächüfcher Kunft, _die bis in das 11. Jahrhundert dauerte, 
und deren Schöpfungen näehft den Leiltungen der fächüfchen Hofkunfl damals 
das Befte ünd, was die abendländifche Miniaturmalerei hervorgebracht hat. Seit 
Alfred der Grofse zum Retter feines Volkes geworden war, die Wikinger, 
welche das Land vergewaltigten, aus ihren fetten Stellungen verdrängt, ein 
nationales Königsthum begründet, felbft die zurückgebliebenen Dänen dem 
Gefetze und der Ordnung feines Reiches gefügt hatte, begann auch ein neues 
geiftiges Leben. Alfred felbft War zum Beleber der darniederliegenden Studien 
geworden, hatte {ich die Höhe des damaligen Wiffens angeeignet und flch an 
die Spitze der Profafchriftfteller germanifcher Zunge geftellt. Die Handfchriften 
angelfächfifcher Zunge oder die lateinifchen Bücher mit angelfäehfrfcher In- 
I) British Museum, addit. MSS. 25600.  Palaeogr. Society, Taf. 95. 
2) Brit. Mus. add. MSS. 11695.  Pal. Soc. Taf. 48. 
3) Akademie der Gefchichte. Dem 10. Jahrhunderte zugefchrieben.
	        
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