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Das hohe
M iniaturm alerci.
Die
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Alle Verfuche, den rohen Stil in einen ftrengen Stil zu wandeln, fchlagen
in Frankreich in Starrheit um, was auch die monumentale PlaPcik der ver-
fchiedenften Provinzen bis zum Schluffe des I2. Jahrhunderts, alfo bis zu den
Anfängen des gothifchen Stiles, zeigt. Das mag in einem Lande, das in der
Architektur den Schritt zu fo grofsartiger Neuerung that, überrafchen, liefse
{ich nicht in den Bildwerken erkennen, dafs gerade das ausfchliefsliche Vor-
wiegen des architektonifchen Sinnes daran Schuld ift. Unter den Hand-
fchriften, die Ähnliches zeigen, verdient namentlich das reiche Miffale aus rnrraie 311.5
der Abtei Saint-Denis Erwähnung, das auch dem 12. Jahrhundert angehört
Das erfie Bild mit dem Heilande in der Mandorla und Engeln zeigt einen
' fcheinbar bartlofen ChriPrus, wenigltens nur mit breitem Contour am Kinn,
aber von iiltlichem Typus. Der Gekreuzigte ift bärtig, nackt und ftark aus-
gebogen, Maria und Johannes zeigen die feftPcehcnde Geberde der Trauer, das
Erheben eines Armes zum Geüchte. Die GcPcalten lind länglich, die Hände,
wie früher, unförmig groß, die Augen klein, die Brauen hochgezogen, die
Gewandung ift trocken und ausdruckslos. Ein Fortfchritt gegen früher verräth
{ich am eheften in der Farbe, der kräftigeren Schattirung und Modellirung.
In dcr Ornamentik werden die befferen Traditionen dcr Karolingerzeit wieder
aufgenommen; Geriemfel in Gold, Roth und Schwarz überwiegt in den Rändern,
farbiges Blattwerk, in dem die phantaftifchen Thiermotive feltener lind, im
Ornament. Auf diefer Stufe ftand die Kunflthätigkeit in Saint-Denis noch
kurz vor der Zeit, in welcher die Abtei unter dem grofsen Staatsmanne und
Kunltförderer Szzgßr ein Hauptlitz der bahnbrechenden neuen Kunftbewcgung
in Frankreich wurde.
Spanien.
Ein den irifchen und alteften fränkifchen Bilderhandfchriften entfprechender wenige;-
Stil war von den Weftgothen in Spanien eingeführt worden und blieb hier lange Gefchnlzick.
beftehen, während die Hgürliche Darftellung Üch nicht über eine höchlt primi-
tive Stufe erhob. 2) Die Initialen, welche vornehmlich den Schmuck der Bücher
bilden, find noch im II. Jahrhundert in jenem alterthümlichcn Stile gehalten;
Üe beftchen aus Riemcnwerk, Thierformen, namentlich Fifchen, Vögeln, Hunden,
etwas Blattwerk, wozu noch einige andere Motive, etwa Nachbildungen von
Waffen, kommen. Als Titelblatt erfcheint öfters ein Kreuz, von deffen Armen
das Alpha und das Omega als Verzierungen herabhängen und das von einer
Umrahmung umfchloffen iPc, deren Säulen und Bogen ebenfalls ganz in Ge-
riemfel aufgelöft find. Die Vorliebe für Hufeifenbögen ift durch den EinHufs
der arabifch-{panifchen Baukunft erklärlich. Die Figuren fmd von kindifcher
I) Paris, bib. nat. lat. 9436. Abb. im Werke des Grafen Basiart.
2) D. Passamznl: Die chrifiliche Kunll in Spanien, Leipzig 1853; auch im DCütfChCH Kulin-
lJlatt, IV, S. 74. Waagen in Zrzlm: Jahrbüchern für Kunflwiffexifchaft, II, Leipzig 1869, S. I.
Yulex T aillum, Les bibliotlleques de Ylispagne du haut moyen äge, bei (Ialliff, IIQUV- mäl-v biblio"
theques, befondcrs S. 330 ff., mit einigen Abbildungen passim. Schöne farbige Reproductionen von
Initialen, meift aus der Academia de 1a historia. zu Madrid, doch ohne Angabe der einzelnen Codices,
denen lle entlehnt fmd, in dem Prachtwerke: Monumentos Arquitectönicos de Espaüa, publicados 21
Cspensas clcl estado, Madrid, fcit 1859, Fol.