Das hohe
Mittelalter.
Miniaturmalerei.
Die
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Bildllächen unterbrochen wird. Antikes Blattwerk, breite Infchriftltreifen mit
erklärenden leoninifchen Verfen, geometrifch verzierte Ränder bilden die Um-
rahmungen, zwilchen denen ltililirte Löwen, Greife und Aehnliches, in anderen
Fällen Gebäude als Füllungen vorkommen. Die Figuren find in den Pro-
portionen glücklich, nur oft mit zu grofsen Händen, und dem Flächenltil ent-
fprechend wenig modellirt und fchattirt. Die Farben, gleichmäfsig und folid
aufgetragen, lind zu der Fülle von Gold in den Hintergründen und Rahmen
harmonifch geltinlmt.
Das erlte Blatt enthält die Hand Gottes im Dreieck, in Nebenabtheilungen
vier ruhende, gekrönte Frauengeltalten, in den Ecken des Rahmens die Cardi-
naltugenden mit ihren bekannten Attributen. Auf dem zweiten Blatte thront
die Madonna mit dem bekleideten Kinde in dem runden Mittelfchilde, unter
welchem die. Aebtiffin des Klolters, das Buch darbringend, erlcheint. Nach
ihrem Monogramm ill es Uota, eine Zeitgenolfin Heinrichs 11., die fechlle
Aebtiffin des 960 geltifteten Kloflers. 1) In vier Medaillons und vier quadraten
Eckfeldern erfcheinen allegorifche Halbliguren, vielleicht wieder Tugenden,
zum Theil gekrönt oder mit Schriftbändern. Noch merkwürdiger ilt das dritte
Blatt: der Heiland am Kreuze, im Purpurkleide und mit priellerlicher Stola,
eine Krone auf dem Haupte, alfo im Leiden triumphirend; bärtig, obwohl er
fpäterhin in kleineren biblifchen Bildern deffelben Buches noch unbärtig er-
fcheint; die Füfse einzeln an ein grofses Fufsbrett genagelt. Unter dem Kreuze
liehen zwei Geltalten, eine gekrönte Frau, das Leben, aufwärts fchauend, mit
erhobenen Händen, und der Tod mit verbundenem Munde und zerbrochenen
Waffen, Sichel und Speer, eine klaffende Wunde in der Schulter, eben zu-
fammenltürzend. In zwei Halbrunden am Rahmen erlcheinen das entweiehende
Gefetz mit Schriftrolle und Opfermeffer und die Gnade, auf deren Krone flCh
der Kelch erhebt. Die fpäterhin häufige, gerade bei der Kreuzigung vor-
kommende Gegenüberltelhlng der Kirche und der Synagoge ili: alfo auch hier
fehon vorhanden, nur verdoppelt. In den Ecken des Rahmens oben Sonne
und Mond, unten der zerriffene Tempelvorhang und die fich öffnenden Gräber
(Fig. 71). Auf dem nächllen Bilde hat nur der Rahmen diefelbe Anordnung
wie fonlt, während lie innerhalb deffelben dadurch aufgegeben ilt, dafs die
Compofition mehr Raum beanfprucht, Hier lteht der Gründer des Klolters,
Bifchof St. Erhard von Regensburg, mit einem Geiftlichen am Altar unter einem
in kindlicher Perfpective gezeichneten Ciborium. Rein ornamental lind wieder
die Evangelillenbilder gehalten; über dem Runde, das fie umfchliefsf, ift in
einer befonderen Abtheilung ihr Symbol, unter ihnen ein Paradiefesllufs an-
gebracht, während die Ecken des Rahmens kleine biblifche Darltellungen ent-
halten. Auch die Seiten mit den prächtigen Initialen fmd mit folchen Rahmen
verfehen. An Präcilion des Machwerks und gefchmackvoller Durchbildung des
einmal angenommenen Stiles gehört dies Denkmal zu den koltbarflen der
Epoche.
Ihren Abfchlufs l-indet diefe Richtung in einigen Codices auS der erflän
AI) Aeltefles Necrologimn aus Niedermünfter, vom Anfang des I3. Jahrhunderts, im Münchener
Reichsarchive (Vgl. Hzrisius, hißor. Nachrichten von den RegenSb. Klößem, S- T78); Nßül V0" DT-
C. Th. IIeigel in München.
1795