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Zweites Buch
Periode.
Erüer
Abfchnitt.
diefer, von ihren emporgerichteten Armen gehalten, wächii: der Baum des
Lebens mit pilzartigen Blättern in die Höhe, und an ihm fieht der impofante
jugendliche ChriPrus, mit der Linken in die Zweige greifend, in der Rechten
die Scheibe der Welt. Die Ecken {ind gefüllt durch die vier Evangelilien-
fymbole, welche durch die Paradiefesflüffe, ürenenhafte Büften, in ihrem Typus
der Erde entfprechend, getragen werden. Das iPr eine finnbildliche Darftellung
vom Opfer Chrifti; der Sage nach war das Kreuz Chriiti aus einem Zweige
des Lebensbaumes gezimmert worden, den Seth auf Adams Grab gepflanzt.
Späterhin wird fogar bei der Kreuzigung oft das Kreuz als grüner Baumftamm
mit Aeften dargeftellt.
Erzählende Die erzählenden Bilder find in dem Evangeliftarium (Cimel. 57) am zahl-
Wdm" reichften, fchliefsen fich meift den älteren Vorbildern, befonders dem Codex
Cimel_ 58, an und bieten nur wenige Bereicherungen, wie das Abendmahl, die
Verkündigung des Zacharias und die Geburt des Johannes, den Tod Marias,
I das jüngfte Gericht.
Codiäglsnaus Einer verwandten Richtung gehören ein Evangeliarium aus St. Gereon zu
Hildßshäim- Köln (Stuttgart, öff Bib. Bibl. Fol. 21) und drei allerdings derber behandelte
Evangeliarien im Domfchatze zu Hildesheim an, gefiiftet vom heiligen Beru-
ward, eins im Jahre IOII durch den Schreiber Gunförzld beendigt 1); fodann
lwhichciw. ein fchönes Evangeliiiarium von unbekannter Herkunft in München (Cimel. 179,
lat. 15713). Merkwürdig ift hier das Streben, prächtige Architekturen aufzu-
bauen, in welche dann die figürlichen Darftellungen in ftreng geordneter Com-
pofition gefügt werden. Auf das erite, reich umrahmte Bild, Chrifius, der
zwifchen Petrus und Paulus thront, folgt die Darftellung der kleinen Maria im
Tempel, einem vierfäuligen Porticus mit geradem Gebälk und Flachgiebel;
durch den Engel, der mit der Krone von oben her auf Maria zufchwebt, wird
das Bild gleichzeitig zur Verkündigung, und im Sockel des Baues ift aufserdem
der Traum des Jofeph dargeftellt. Bei dem folgenden Bilde ohne Umrahmung,
einem bärtigen Könige, der an vierzehn Perfonen Schriftrollen austheilt, kann
man zweifeln ob hier Chriitus mit den Apofteln und Evangeliften oder Gott
Vater mit den Propheten gemeint fei. Bei Chrifti Geburt ift auch das Bad
des Kindes dargeftellt. Die Steinigung des Stephanus, die Ausgiefsung des
heiligen Geiftes in einer Halle, die Anklage und Hinrichtung des Petrus, mehrere
Scenen in einem zweiftöckigen Bau, find namentlich beachtenswerth.
Eyangelia- Ein hervorragendes und eigenthümliches Denkmal ift fodann das Evan-
riiiigriäii-s geliarium aus der Abtei Niedermünfter in Regensburg?) auf deffen
mimnen Bildern auch noch mehrmals griechifche Infchriften neben lateinifchen vor-
kommen. Der Charakter der Bilder, die jedesmali die ganze Seite füllen, ift
ein reiner Teppichftil, ähnlich demjenigen, den wir bald in der romanifchen
und frühgothifchen Glasmalerei kennen lernen werden. Zunächft fondert {ich
ein Mittelftück mit dem Hauptbilde von dem breiten Rande, der an den Ecken
und meift auch in der Mitte jeder Seite von kleineren, runden oder quadraten
I) Kratz, der Dom zu Hildesheiln, 1840, II, 117,
2) München, BibL, Cinmel. 54, lat. 13601. Calzier, nouveaux mäl. (Patch, curiositväs mystärieuses,
I5, mit Abbildungen; andere Abbild. in dem Bande Bibliolhäques. Das 3. Bild auch bei E. Fözßer,
Denkmale, II.