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Zweites Buch.
Periode.
Abfchnitt.
Erfler
fiärkerem Gefichtc und kurzem Vollbart, und da das Mittelalter, zwar unfähig
ein Porträt zu geben, doch Ptets in folchen Bildern einen beitimmten und be-
zeichnenden Typus fefthielt, mufs man hier Otto III. erkennen, für Welchen
ebenfo die jugendlichkeit wie das Voranfchreiten der Roma unter den huldi-
genden Provinzen am Platze ift. Auch ftimmt künitlerifch der Codex mehr
mit dem erwähnten zu Gotha, als mit den anderen, ficher für Heinrich II. ge-
fertigten in München überein. Endlich ift nachgewiefen, dal's auch andere von
Heinrich nach Bamberg gefchenkte Handfchriften aus der Bibliothek Otto's III.
herrührten 1). Zu derfelben Gruppe gehört endlich das Evangeliftarium des
Erzbifchofs Egbert von Trier (977-993) in der Stadtbibliothek dafelbft, zu
vor-Trier. Reichenau von den Mönchen Kerald und flezibert hergeftellt, die auf dem
Dedicationsbilde dem Erzbifchofe das Buch überreichen 2).
Zu den Eigenthümlichkeiten diefer Bücher gehört zunächft, dafs auf den
'Bildern aufser lateinifchen mitunter auch griechifche Infchriften, meiPt aber
incorrect gefchrieben, vorkommen, wie auf dem erften Blatte des Evangeliariums
in Paris3). In dem zu Gotha enthält die Seite mit den Initialen des Lucas-
evangeliums Nachbildungen griechifcher Münzen mit Kaiferbildniffen bei feh-
lerhafter Orthographie des Namens Conflantin in der Umfchrift (KQNCOAN-
GEN?)- Einen ungewöhnlichen Schmuck bilden in diefem Codex ferner die
Nuphbilälung grofsen farbigen Nachbildungen orientalifcher Stoffmufter mit Ornamenten und
gälliälbriiifcrljilllliftefl Thieren, die ftets vor dem Anfang eines jeden Evangeliums über
cum zwei ganze Seiten hingehen. Man fieht, der Maler war nicht etwa ein Grieche,
fondern ein abendländifcher Künüler, vor deffen Augen die von Byzanz ge-
kommenen Koflbarkeiten ausgebreitet lagen.
Arcläärätülli- Die umrahmende Architektur der Canones, deren Charakter fchon in der
altchriftlichen Kunft feflgeftellt worden war, ift hier mit befondcrer Schönheit
und Präcifion gehandhabt und zeigt im Einzelnen bereits die reichften Motive
romanifcher Baukunft. Die Säulen mit goldenen oder farbigen Schäften lind
fchlank, mitunter gerade oder fpiralförmig cannelirt und werden oft von Thier-
paaren oder kauernden Menfchengeftalten getragen; in den Capitellen über-
wiegen Ptark ausladende Kelchformen, die Akroterien über den Bögen und
Giebeln beftehen aus fymmetrifch gePrellten Thieren, Löwen, Panthcrn, Fa-
fanen, Reihern, Füchfen, die von Trauben nafchen, oder auch aus Steinmetzen
bei ihrer Arbeit, Winzern, Schützen, Kentauren. Am prächtigften find die
Architekturen mit fchöner Bogenfiellung, Blendarcadcn, Zahnfchnittfriefen und
zurückgefchlagenen Vorhängen, die flch im Parifer Codex Aureus als Gehäufe
über den einzelnen Evangeliftenbildern erheben und im Tympanon die Sym-
bole derfelben enthalten (Fig. 69). Auch die prächtigen Throne, wie derjenige
nouveaux melanges dßzrchäologie, curiosites myslerieuscs. Das Richtige {chon bemerkt von Lmor-
7mm! bei Calzier u. Zlllarlin, melanges I, 186. Hier wird auch ein Evangcliariuln Ott0's III. aus dem
Domfchatze in Aachen, fpäter im Privatbefitze dafelbflz, erwähnt, von welchem flqfvzer, "Frachten, Taf.
47 f., Proben giebt: Der Kaifer thront in der Mandorla, von der IIand Gottes gekrönt und von den
Symbolen der Evangeliilen umgeben, eine kaucrnde weibliche Geflalt trägt feinen Fufsfchemel, [eit-
wärts zwei verehrende Fürflzen, tiefer zwei Krieger und zwei Geiüliche.
I) Giefebrecht II, 601; I, 850, 877.
2) Mone in der Zeitfchrift für Gefchichte des Oberrheins, III, Karlsruhe 1852 S. II.
3) Spuren, aber nicht mehr lesbar, auch auf denr erften Bilde des Codex in Gotha.