Das hohe Mittelalter.
Vorbemerkungen.
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ptlegten und diejenigen Namen befonders für denkwürdig hielten, die einen
Stolz ihrer eigenen geiftlichen Genoffenfchaft bildeten. Die Laienkünlller
waren keine freien Leute, fondern Minilterialien, die im Dienite eines geiß-
lichen oder eines weltlichen Herrn iiehen konnten. Wird neben einem Namen
der Stand als Kleriker nicht ausdrücklich angegeben, fieht hinter demfelben
fogar ein Ortsname, der die Heimath, den Wohnfitz bezeichnet, fo kann durch-
fchnittlich auf einen weltlichen Künftler gefchloffen werden, obwohl in einzelnen
Fällen die Heimathsbezeichnung auch bei Klerikern vorkommt, und manch-
mal nicht blofs Laien, fondern auch Geiftliche {ich nMClÜLCYu (magifter) nennenJ)
Nur eine Technik der Malerei war noch immer ausfchliefslich eine klöfterliche
Kunft, die Illuminirung der Handfchriften, weil fie eben unmittelbar mit der
Schreibkunfl zufammenhing. Zunächft der Kirche und räumlich mit der Biblio-
thek "in Zufammenhang lag das Schreibzimmer (scriptorium), wie wir das auf
dem alten Grundriffe des Klofters St. Gallen fehen, und hier wurde auch die
Malerei der Handfchriften ausgeführt. Im Uebrigen waren die Klöfter nicht
ausfchliefslich die Werkftätten und die Sitze der Ausbildung für die Küniller,
wohl aber wegen des ausgedehnten Kunitbetriebes zu kirchlichen Zwecken
deren Sammelpunkt und in Folge davon, namentlich diesfeits der Alpen, wo
die Tradition des Alterthums geringer war, auch die Stätten höherer Kunit-
bildung, da eben der Klerus überhaupt als der Träger des Wiffens und der
claffifchen Ueberlieferung daftand.
Hochgeftellte Geiftliche, Bifchöfe und Aebte, waren die gröfsten Beförderer fäägfa-r
der Kunft, veranlafsten die Schöpfungen, beauffichtigten fie, fchrieben vor, was imKlägäfqren
zu thun War. Wenn nun aber eine Infchrift oder eine Chronikftelle eine folche
Perfönlichkeit als den Urheber eines Kunftwerkes nennt und felbft den Aus-
druck "fecil" dabei anwendet, fo heifst das noch immer nicht, dafs er felbft
Künftler war, fondern nur, dafs er die Schöpfung hervorgerufen, geiliftet, be-
zahlt hatte. Aber die Förderer wurden in zahlreichen Fällen zugleich Sach-
kundige, Iie kümmerten flch um die Techniken, die für ihre Unternehmungen in
Anwendung kamen, führten neue ein, übten die eine oder die andere perfönlich,
oft mehrere auf einmal, denn die Bildung des Mittelalters war eine encyklo-
pädifche, und feine Praxis kannte eine Theilung der Arbeit in unferem
Sinne nicht.
Das glänzendfte Beifpiel eines kunflerfahrenen Geiftlichen aus dem An-Bßrfgjard
fange diefer Epoche ifl der heilige Bemward, Bifchof von Hildesheim. Dafs Hildesheim-
er zugleich ein gelehrter, den nedleren Studienu hingegebener Mann war, recht-
fertigte nach der Auffaffung feines Biographen Thangmar?) die Vorliebe, die
er daneben für die vgeringen, fogenannten mechanifchen Küniieu hatte. Zu-
nächft war er in der Schreibkunft ein Meiiter, dann übte er, wie das bei dem
Zufammenhange zwifchen Schreiben und Illuminiren nahe lag, die Malerei treff-
I) Zum Beifpiel: Rirlzardus Mundriclzingensix als Schreiber des Necrologium Reinhardi abbatis
aus Klofcer Zwifalten (Ilehe Ende des folgenden Abfchnittes). nHoc apus fecit Mkalaux sacerdas
et magistgfa, Infchrift der 1209 vollendeten Kanzel in der Kathedrale zu Bitonto; H. W. Schulz,
Denkmäler der Kunfl des Mittelalters in Unteritalien, B. l, Dresden 1860, S. 76. nßertoldus pictar
frater nostera, Zwif. Chronicon, Mon. Gerln. SS. X. p. 103. vßertalrlu: m. n. r. nzagister pictorn,
Necrol. Zwii, ebenda.
2) Mon. Germ. SS. IV, 758, befonders cap. I, 5, 6, 8.
Gefchichte d. Malerei. I6