Erßes Kapitel.
ihrer Behandlung nach kaum unterfcheidet, darf von unferen Unterfuchungen
nicht ausgefchlofsen werden. Alle Wandflächen der Gebäude, die inneren fo-
wohl wie die äufseren, ja felbft alle Säulenfchäfte und alle Gefimfe find mit
farbigen Malereien gefchmückt, fei es, dafs diefe fich über wirkliche, wenn
auch niedrige, Reliefs hinlegen oder über die der ägyptifchen Kunft eigen-
Kvilßnßaly- thümlichen Scheinreliefs (basreliefs en creux, verfenkte Reliefs, Koilanaglyphen),
phm welche {ich keineswegs über die Wandfiäche erheben, fondern nur durch Ver-
tiefung der Conturen und rücktretenden Theile der Geitalten entftehen, oder
fei es, dafs fie wirkliche Flächenzeichnungen coloriren 1).
amtliche Solche wirkliche Flächendarftellungen finden fich in der ägyptifchen monu-
mentalen Kunft befonders in den Grabgemächern, wie in denen von Beni-Haffan
"m33" aus der zwölften Dynaftie. Es {ind hier, wie in anderen Gräbern, aufser ge-
Bcnimiffzmilegentlich {ich wiederholenden Darftellungen des Todtenculttis, faft nur Scenen
aus dem täglichen Privatleben der Aegypter abgebildet, Gemälde, welche aber die
bedeutendften Wirklichen Flächendarftellungen bieten, die uns in der altägyptifchen
Kunft erhalten iind. Die Mehrzahl der grofsen Darftellungen befonders an den
Aufsenwänden der oberägyptifchen und nubifchen Tempel ift dagegen in jenem
bemalten Scheinrelief gehalten.
Eigentliche Flächendarftelluxigen finden fich ferner an verfchiedenen, aus
altagyptifchen Gräbern hervorgezogcnen Gegenfiänden. Vor allen Dingen find
natürlich die Abbildungen, welche vignettenartig und illuftrationsweife den ver-
ilneglgg fchiedenen Papyrus-Streifen eingefügt find, auf die Fläche gezeichnet. Wir
Iggää-äs- wollen jedoch zunächit bei der Betrachtung der grofsen monumentalen Dar-
Prellungen an den Wänden der Bauwerke bleiben, welche weitaus die wich-
tigften {ind 2).
(fällig-Ära Durch die geringe Unterfcheidbarkeit der mehr oder weniger erhobenen
hhrßngii Darftellungen von den Malereien im engeren Sinne des Wortes ift den letzteren
"am übrigens vom wirklich malerifchen Standpunkt aus fchon ihr Urtheil gefprochen.
Denn, wenn fie auch nur einen Theil der Vortheile Hacher Darftellungen be-
nutzt hätten, fo müfsten Iie fich von aller reliefartigen Arbeitwefentlich unter-
fcheiden. Nicht das Relief ift hier malerifch behandelt, wie z. B. an GhibertYs
Broncethüren aus dem I5. Jahrhundert unferer Zeitrechnung, fondern die
Malereien find reliefartig behandelt; oder, noch richtiger ausgedrückt, beide
find blos fllhouettenhaft und blos ornamental, man könnte vielleicht auch fagen,
blos hieroglyphifch angeordnet. Weder dem Reliefftil noch dem malerifchen
Princip gefchieht fein Recht. Es kommt dem ägyptifchen Künftler nur darauf
Deutlichkeinall, deutlich und veritändlich zu fein, das wirklich zu erzählen, was er erzählen
will; alles Uebrige ift ihm Nebenfache.
Nlaäigelndc Was zunächft den Inbegriff der Kunit, ein Stück der Welt der Erfcheinungen
Per pcclive.
I) Die wichtigften Publicationexi ägyptifcher bildlicher Darflellungen beiinrlen ÜClI in folgenden
Werken: Gnu: Antiquites de 1a Nubie. lfoßiillizzi: I monumenti dell" Egitto e della Nubia.
Lepjim: Denkmäler aus Aegypteu und Aethiopien. Prife dällwennes: Atlas zur Hiftoire de Part
Egyptien.
2) Den grofsen Publicationen fehlt zum Theil der Text, aber auch wo ein folcher vorhanden,
ift aus demfelluen nicht immer klar zu entnehmen, ob die abgebildete Darßellung im Original eine
reine Flächendarftellung, eine koilanaglyphe Bildung oder ein Basrelief ifl: ein Grund mehr für uns,
die Scheidung nicht {lreng (lurchzufiihren