Die byzantinifche Malerei.
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ruhige Linien. Sie gewähren eine Fülle von Auffchlüffen über die byzan-
tinifche Ikonographie, deren uralte Tradition noch in den neueren Erzeug-
niffen fortwaltet. Viele der dortigen Bilder zeigen aber auch Ptarken abend-
ländifchen Einilufs; die koloffalen Heiligengeftalten in der Kirche zu Karyes
am Oliabhange des Berges, nach den Infchriften aus dem I4. Jahrhundert,
erinnern an damalige Italiener, befonders Sienefen. In der Folge wurden mit-
unter fogar abendlandifche Kupferftiche, zum Beifpiel Blätter von lVlarcanton,
benutzt 1).
Neben denjenigen Gattungen der Malerei, die in unmittelbarenl Zufammen- um-
hange mit dem Bauwerke ftehen und feine Mauern und Wölbungen fchmücken, "ulerei
wird das Tafelbild als bewegliches Gemälde ausgebildet. Die byzantinifchen
Arbeiten diefer Gattung find außerordentlich zahlreich; in Kirchen, in Samm-
lungen des Abendlandes kommen fre vor. Eine gröfsere Anzahl folcher
Producte bewahrt namentlich das chriitliche Mufeum im Vatican, einige
Arbeiten diefer Art findet man auch im Berliner Mufeum. Das Meifte gehört
erfl der Zeit nach dem II. Jahrhundert an und wurde grofsentheils für den
Export gearbeitet oder auch im Abendlande felbft von byzantinifchen Hand-
werkern fabricirt. Dahin gehören zahlreiche lVladonnenbilder, namentlich die
an verfchieclenen Orten befindlichen, welche die Mythe der Hand des Evan-
geliflen Lucas zufchreibt, ferner Darftellungen von einzelnen Heiligen, Bilder
aus der Paffion, legendarifche Scenen. Gewöhnlich tritt in diefen Producten
der fpätbyzantinifche Charakter in feiner ganzen afketifchen Starrheit, oft ab-
fchreckend, zu Tage. Das Bindemittel ifl dicht, harzig und gibt den Bildern
einen gelblichen Hauptton, den ein zäher Firnifs noch Pteigert, und der durch
Nachdunkeln in den Fleifchpartien mit der Zeit in das Bräunliche geht, fowie
eine glatte, glänzende Oberfläche. Der Auftrag ift fcharf und geftrichelt, der
Grund flets golden. Ein durch Umfang und Ausführung hervorragendes Bild
der vaticanifchen Sammlung, auch um des Gegenfiandes und der Bezeichnung
willen bemerkenswerth, iPc die Darftellung des Lebens der Anachoreten mit
dem Tode des heiligen Ephrem als Hauptgegenftand von Evmznuel Ykzzzgjfurnarz",
aus dem II. Jahrhundert 3). Neben echten Bildern diefer Gattung fleht man
aber auch zahlreiche Fälfchungen, welche der gläubigen Andacht zu Hilfe
kamen und ihr Heiligenbilder in diefem alterthümelnden Stile mit mehr oder
minder Nachahmungsgefchick lieferten.
Ihren Refultaten nach könnte man auch die Kunfl des Email der Malerei EjnaiL
anfchliefsen, denn fre flellt eine Umrifszeichnung in Metall her, welche (ie mit
Flächen in farbigem Glasfluffe füllt; aber ihrer Technik nach gehört fie dem
Kunfthandwerk an und wird im Zufammenhang mit der Goldfchmiedekunfl
betrieben. Sie ift nur eine Imitation der Malerei in einem anderen technifchen
Verfahren, und da ihre Producte in Stil und Gegenftänden kaum etwas Ergän-
zendes liefern, dürfen wir von ihrer läerüeklichtigung hier abfehen.
I) 7. P. Riclzler, Abendliindifche Malerei und Plaflik in den Ländern des Orients, Zeitfchrift f.
bilil. Kunfl, XIII, S. 205. Der Louvre enthält eine Aquarellenfolge von Papcty (Dessins 1215-
1226) nach Heiligengeßalten aus dem Klofier Lavra, die aber zu fahr in den Stil der IngresTchen
SChüle überfetzt fcheinen, um ein Urtheil zu geflatten. Proben bei Louazzdre, arts somptilaires.
z) Aginrourt, Taf. 82. In Plzztnnr, Bzmfm etc.: nBefchreibung der Stadt Romu, Stuttgart und
Tübingen, 1830 --1842, II. 2. S. 375, iindet man die byzantinifchcn Bilder im Vatican gewürdigt