Die ägyptifche Malerei.
feine hochgefchlitzten Augen, feine dicken Lippen mit dem finnlich-Prarren
Lächeln. Vor allen Dingen aber ift jetzt ein mathematifch in Zahlen auszu-
rechnender Kanon für alle Figuren vorgefchrieben.
Das aneue Reichß, feit der achtzehnten Dynafiie, verändert diefenim rrCllCD
Typus und diefen Kanon kaum; nur die Technik vervollkommnet fich, und Kelch"
ein gewiffer hiitorifcher Schwung in den Darftellungen zeugt von dem neuen
politifchen Leben, welches die Bewohner der Nilufer begeiflerte. Selbil in
der Ptolemäer-Zeit, als Aegypten politifch dem Hellenismus unterworfen
worden, blieb der Kanon im Wefentlichen unverändert, wenngleich geringe
Abweichungen erkennbar find und befonders die weichlicheren, rundlicheren
Formen den fremden Einflufs und die Abfichtlichkeit der Nachahmung kennt-
lich machen.
Aber alle diefe Entwickelungsphafen feit der elften Dynaflie berühren Stabilität
faft nur die Aufsenfeiten und führen nur zu fo geringen Unterfchieden,desKanw'
dafs fie befonders im Verhältnifs zu den gewaltigen Zeiträumen, um die es
fich handelt, fo gut wie verfchwinden. Die ägyptifche Gefchichte rechnet
nach Dynaitien, wo wir nach Einzelherrfchern rechnen, fie zählt die Jahr-
taufende, wo wir die Jahrhunderte zählen. Abgefehen von der memphitifchen
Vorzeit, nach welcherauch die alten Griechen ihr Urtheil über Aegypten {ich
nicht gebildet haben, lind wir daher doch wohl nach wie vor berechtigt, von
einer die hiftorifche Entwickelung faft ausfchliefsenden Stabilität der alt-
ägyptifchen Kunfi: zu reden l).
'Der Kunfltrieb der alten Aegypter ifi ein fehr inteniiver, und er iPc in Architekto-
erfler Linie ein mächtig monumentaler gewefen. Die Architektur iPr die domi- nihcliltixi-(flldigf-
nirende Kunft des Niltlials. Vielleicht hat nie und nirgends auf verhältnifs- ägkliiiifiiiwi]
mäfsig fo kleinem Raume eine fo grofse Anzahl von öffentlichen Prachtbauten
neben einander geftanden, wie in der Blüthezeit Aegyptens an den Ufern des
Nilflromes. In Unterägypten, von Beni Haffan an abwärts, find zwar faft nur
Grabmäler und unterirdifche Grabilätten erhalten; die gröfsere Länge der
Zeit, die geringere Gleichmäßigkeit des Klima's und die häuiigeren und gewalt-
fameren politifchen Veränderungen haben hier die Tempel und Paläile der
älteren Dynafiien zerftört. Von jenen fäulengefchmückten Hallen, grofsen
Prachtfälen und ftattlich gethürmten Heiligthümern, welche die thebanifchen
Dynaflien in Oberägypten und Nubien errichtet, iit dagegen bis auf den heu-
tigen Tag noch genug erhalten, um eine Ahnung von dem ehemaligen archi-
tektonifchen Charakter diefer Gegenden in uns zu erwecken.
Was nun aber bei allen diefen mächtigen Bauten, den unterirdifchen fowohl,
wie den überirdifchen, bei denen des alten und mittleren, wie bei denen des
neuen Reiches, fofort auffällt, ifi, dafs die Architektur hier überall die nach-
ahmenden unter den bildenden Künften, die Plailik und die Malerei, in ihren
Dienft nimmt. Das bemalte Relief, welches in der ägyptifchen Kunit fich nur Reliefs.
fehr wenig über die Flächendarfiellung erhebt und gerade in ihr {ich von der
wirklichen Malerei als eigentlicher Flächendarilellung dem ganzen Charakter
I) R. Lepjius: Die Chronologie der Aegypter. Brugfch: lIiPcoire dEäypte; 2. ALIHagC.
Lfnormßvll: Die Anfänge der Cum" (Jena 1375), I, S. 117-267. illaßero: Gefchichte der nxorgcn-
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(2. Aufl), I, S. 241-384.