Volltext: Die Malerei des Alterthums (Bd. 1)

216 
Buch. 
Zweites 
Periode. 
Dritter 
Abfchnitt. 
Rom gelöft war, und das Griechifche, von Anfang an die Sprache des Volkes 
und der Literatur, nun auch längft das Latein aus der Rolle der officiellen 
AiigriiledizäiigaerGefchäftfprache verdrängt hatte. Das Bewufstfein des Zufammenhanges mit 
 dem Alterthume durchdrang die ganze Bildung, man füchte die clafiifchen 
Formen zu wahren, mochte auch der claffifche Geiß: entfchwunden fein. Die 
Pflege der Wiffenfchaft ging mit derjenigen der Kunfi Hand in Hand, und 
beide wurden vom Throne aus begüniligt. Die Studien fanden vornehme 
Gönner, wie Caefar Bardas, den Onkel Michaels III; Kaifer Bafilius I. 
felbfl ohne wiffenfchaftliche Bildung, empfand dies als Mangel und liefs feinen 
Sohn Leo, den fogenannten Philofophen, von dem gelehrten Photius er- 
ziehen; zugleich war er von der edelften Liebhaberei der Despoten, der Bau- 
lufi, erfüllt, und zog zum Schmucke feiner architektonifchen Schöpfungen die 
mannigfaltigften Techniken heran. Sein Enkel Conftantin Porphyrogenne- 
tos, der Schriftiteller auf dem Throne, war ein Kunftfreund und fogar Dilet- 
tant in der Malerei; er gab, wie die Biographie im Hofton berichtet, den Malern 
Anweifungen und meiiierte ihre Arbeiten, fo dafs feine Kenntnifs einer Kunfi, 
die er nicht gelernt hatte, allen als ein Wunder erfchien1). 
Renaiffance Diefe Nachblüte der KunPr, welcher die Wiedereinführung der Bilder in die 
d" Kimm Kirchen ihr vorzüglichftesStoffgebiet zurückgegeben hatte, war gewiffermafsen 
 eine Renaiffance. Während in Italien die Barbarilirung immer weiter ging, 
wurde in Byzanz die Wiederanknüpfung an die Traditionen des clafiifchen 
Alterthums und der juftinianifchen Epoche gewonnen; während im Abendlande 
die Kunft in den germanifchen Stammen ihre neuen Träger fand und {ich 
in primitiven Formen äufserte, trat fle in Byzanz ihre alte Erbfchaft, den 
Schatz ausgebildeter Technik, feftbegründeter Schultradition und claffifchen 
Stiles, wieder an. Dadurch behauptet die byzantinifche Malerei des 9. und 
IO. Jahrhundert im Vergleiche mit den haftigen, unvollkommenen, wenn auch 
Pcrebfamen Verfuchen der abendländifchen Malerei noch immer ihre volle 
Ucberlegenheit. 
Verfall. Aber wie durch alle jene literarifchen Beitrebungen der Byzantiner kein 
fchöpferifcher Zug geht, wie ihre Thätigkeit eine wefentlich fammelnde, ihr 
 Wiffen ein rein formales blieb, wie die umfangreichile Gelehrfamkeit mit dem 
tiefften Aberglauben verbunden war, und ihnen die Geiftesfreiheit fehlte, fo 
lagen auch in der KunPc die ererbten Schätze in der Hand eines unfreien, alter- 
fchwachen Volkes, das keine Energie des Strebens befafs und das über- 
 kommene Gut nur müfsig aufzehrte, ftatt es fruchtbar zu machen. Die byzan- 
tinifche Kunfitgefchichte wird zur Gefchichte eines allmählichen aber unaufhalt- 
famen Verfalles, dem niemals mehr eine neue geiftige Bewegung Einhalt that, 
und den wir deshalb auch von nun an im Zufammenhange, über die fonfiigen 
Grenzen diefer Periode hinaus, bis in neuere Zeit verfolgen wollen  
Die 
Miniaturen. 
Jahrhw 
dert. 
m. Die Miniaturen bleiben ebenfo wie bisher die einzige Gattung der Malerei, 
deren Denkmäler foweit erhalten, zugänglich und in ihrem Urfprunge gelichert 
Theoph. cont. a. a. O. 
Ueber die Literatur vgl. 
Anmerkungen 
die 
175 
181.
	        
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