Volltext: Die Malerei des Alterthums (Bd. 1)

Die karolingifche Epoche. 
2II 
Während die karolingifche Architektur noch wefentlich altchriftlich Charakter 
war, in Conftruction und Anlage der Ueberlieferung folgte und fich in den degaiiiiiaiäm- 
Einzelformen an das Alterthum lehnte, hatte es die karolingifche Malerei, fo Malem 
weit wir {ie aus den Miniaturen beurtheilen können, zu gröfserer Selbfiändig- 
keit gebracht. Sie gebot über eine hochausgebildete, mit technifcher Meifler- 
fchaft gehandhabte Ornamentik, in welcher die urfprüngliche Kunftrichtung der 
germanifchen Völker fortlebte, und die der antiken Tradition gegenüber ihren  
eigenthümlichen Charakter behauptete. In der figürlichen Darflellung hatte {ie 
allerdings die Gegenftände, Typen, felbft Motive von der altchriftlichen Kunft 
Italiens empfangen, aber Iie befafs dabei ein eigenes Streben, das nicht blofs 
ein feflftehendes Schema in Geftalten und Vorgängen wiederholte, fondern 
Handlung und Willen zu veranfchaulichen fuchte. Was diefem Streben eine 
Schranke fetzte, war die geringe Bildungitufe des Zeitalters. Der irifchen Ver- 
fchnörkelung waren die Geftalten entwunden, aber bei dem Mangel an Formen- 
kenntnifs wie an Perfpective gelangten die Künitler noch zu keiner klaren 
Vorftellung von den Dingen, fo lebendig auch ihre Intention und fo grofs 
die Uebung ihrer Hand war. Ihrer Stellung nach ift die Kunft eine höfifche; 
vom Hofe aus wird das geiftige Leben der Epoche beitimmt, empfangen die 
vornehmften Klöfter, welche Stätten der Gelehrfamkeit und des Kunflfleifses 
waren, ihre Richtung. So haben die Leiflungen der Miniaturmalerei denn 
auch nur in abgegrenzten und bevorzugten Kreifen ihr Publicum, und fo 
werden die Schickfale des Herrfcherhaufes für Entwicklung und Verfall der 
Kunft beftimmend. 
Italien 
unter 
den 
Karolingern. 
Die Epoche Karl des Grofsen, welche für die Länder im Norden der Fortfchrei- 
Alpen den Beginn einer neuen Entwicklung, fo primitiv diefe auch fein mag, xiäilgii. 
bezeichnet, fieht in Italien nur einen fortfchreitenden Verfall 1). Damals kam 
in Rom die weltliche Bildung immer mehr herab, die dortige Geiftlichkeit 
wurde in wiffenfchaftlicher Beziehung von der nordifchen befchämt, die Latinität 
fank immer tiefer, felbPc gegen die verachteten Langobarden ftanden die 
Römer zurück. Auch in der Kunft wurde die Verkümmerung der claffifchen 
Tradition eine immer kläglichere. Hatte ein felbftändiges Zurückgehen auf die_  
Natur fchon längft nicht mehr Pcattgefunden, fo wurden auch jetzt die älteren 
Vorbilder immer weniger verftanden, immer oberflächlicher und geiftlofer nach- 
geahmt. Die Kunft der Mofaik ward fort und fort mit Aufwand betrieben Rorn. 
und hatte nach wie vor ihren Hauptfitz in Rom. Sie gewährt auch jetzt noch mramen" 
eine wirkungsvolle, prächtige Decoration der Kirchen, aber ihre Leiftungen 
werden in Zeichnung, Form und Ausdruck immer dürftiger, eine felbftändige 
künftlerifche Intention tritt in ihnen nicht mehr zu Tage, felbft die ftrenge 
Feierlichkeit und Würde der älteren Arbeiten wird nicht mehr erreicht, und 
trotz der ununterbrochenen Ueberlieferung wahrt die dortige Schule ihre alten 
Fähigkeiten nicht einmal in der Technik, in welche verwilderte und barbarifche 
Elemente eindringen. 
m 
Schnaafe III, 2. 
AuH. 
572. 
Ital. 
Forfchungen 
Crowe u. Cavalcaselle 
24' .
	        
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