Die karolingifche
Epoche.
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bei; der Vortrag ift aufserordentlich breit bei bräunlicher Schattirung im
Fleifche, zu deffen Ton nur noch wenige Farben, Weifs in den Gewändern,
Zinnober und Gold, hinzukommen. Die Initialen flnd aus rein geometrifchen
Verzierungen gebildet, ohne Blattwerk oder mit verfchwindenden Anklängen
an folches, meift in Gold mit rothen Rändern und blauen Füllungen.
Eine höhere Stufe in der Ornamentik, feiner entwickelte Initialen in Gold Alcuins-
und Silber mit rother Einfaffung auf farblofem Grunde zeigen die lateinifchen bibelm
Bibeln in Bamberg (Kgl. Bibliothek A. I. 5) und Zürich (Cantonalbibliothek
C. I), aber wenn in eriierer auch die Figuren der kleinen alttefiamentarifchen
Scenen in goldenen und filbernen Gewändern auftreten, fo ifl das eine barba-
rifche Ausfchreitung der Vorliebe für die Pracht edler Metalle. Beide Werke
find auf Veranlaffung von Karls gelehrtem Günftling Alcuin entftanden, das
erfte enthält eine goldne Medaille mit feinem Namen, in dem zweiten feiert
ihn eine Dedicationsinfchrift in Verfen, und fo find fie wohl im Klofter Saint-
Martin in Tours entftanden, deffen Abt Alcuin von 796 bis zu feinem Tode
im Jahre 804 war. Noch zierlicher find die mit oft originell erfundenen bib-
lifchen Scenen gefüllten Anfangsbuchflaben in dem für Drogo, einen natür-
lichen Sohn Karls des Grofsen, gefchriebenen Sacramentarium aus Metz
(Paris, bib. nat. lat. 9428) 1).
Ihre Höhe aber erreichte die karolingifche Miniaturmalerei erft unter den Zeit Lothar:
Enkeln des grofsen Kaifers, deffen geiftige lmpulfe auch über den Niedergang aggdkljiiiä.
und die Theilung des Reiches hinaus in Kraft blieben, in den für Kaifer
Lothar und für Karl den Kahlen gefertigten Codices. Die rnalerifche
Technik hat flch kaum geändert, aber die Behandlung zeigt eine gröfsere
Sorgfalt und Praeciiion. In den Hintergründen wechfeln auch jetzt, fo wie
früher, häufig breite horizontale Schichten von verfchiedener Farbe, die
Wirkung der Gewänder wird oft durch Goldfchrafflrungen in den Lichtern
erhöht. Der Glanz der Ausftattung, die ornamentale Pracht, der Charakter
der Initialen find diefelben.
Die Zeichnung der Figuren bleibt aber auch jetzt noch das Schwächfte.
Grofse Köpfe mit flarren Augen und einförmig-breitgerundetem Kinne ruhen
auf fchmalfchultrigem Rümpfe, deffen Knochengerüfi nicht veritanden ifi, und
den meift ein iiark aufgetriebener Unterleib charakterilirt. Der Faltenwurf
verliert, trotz guter, von antiken Muftern übernommener Hauptmotive,
durch kleinliche Ueberladung, die Bewegungen der Glieder flnd unficher, bald
fchwächlich, bald übertrieben. Dennoch zeigt fich die Luft des Geftaltens,
der erfinderifche Zug in den Figuren, die Künftler wollen Affecte zum Aus-
druck bringen, und da fie unfähig find, dies in den Gefichtszügen zu verfuchen,
thun iie es in den Stellungen und Bewegungen der Körper mit defto gröfserer
Lebhaftigkeit. Zugleich erweitert frch in den bildlichen Darftellungen der
Kreis der Gegenfiände, derbisher ein eng begrenzter war.
So weifen die für die Könige angefertigten Codices gewöhnlich gröfsere Degilcäxtions-
Dedicationsbilder auf, in denen Pcets die Abficht zu Tage tritt, ein wirk- ' er"
liches Abbild der hohen Perfönlichkeit zu geben. Ihren fürftlichen Ornat, die
Form ihrer Throne und.ihrer Kronen, Coftürn und Bewaffnung ihrer Trabanten,
universelle, II.
Paläographie
Silvestre,
Auf ser Baxla rd auch