Buch.
Erfles
Zweiter Abfchnitt.
Sinnbilder der Apoftel, aus den Städten Jerufalcm und Bethlehem, zufchreiten
(Fig. 46). Der Grund ift blau mit leichter Andeutung von Wolken und einem
goldenen Glorienfchein in der Höhe.
sm. Die Bedeutung der Hauptfigur wird dadurch {innlich gefieigert, dafs fie
in gröfserem Mafsftabe gebildet ift. Auch Cosmas und Damianus find etwas
kleiner als die Apoftel, denen iie {ich unterordnen follen. Der bärtige ChriPcus
zeigt bereits das fpätere typifche Gepräge, nicht mehr den freieren claffifchen
Charakter, der uns in der Pudenziana befriedigt. Auch die Typen der Uebri-
gen find Prreng, gemeffen, faft düfter. Die Geberden find bei aller gebunde-
nen Feierlichkeit immer noch ausdrucksvoll und nicht unfrei, die Gewänder
antik bis auf die mit Verzierungen überladene, des edlen Wurfes baarc
Zeittracht der neueren Heiligen. In den Lämmern des unteren Saumes tritt
noch ein forgfältiges Naturftudium zu Tage. Aber was dem Bilde der Puden-
ziana gegenüber wefentlich vermifst wird, iit die wahrhaft malerifche Anord-
nung, der in der Compolition betonte lebendige Zufammenhang zwifchen den
einzelnen Geftalten, das Verhältnifs zwifchen Figuren und Hintergrund.
Die antiken Vorbilder, die jetzt benutzt werden, find offenbar überwiegend
'plaftifche. Nach Caffiodor Rand noch zu Theodorichs Zeit ein Volk von
Statuen in Rom. Die antiken Götter-, Redner- und Confularfiatuen dienen
vorzugsweife als Mutter für die chriitlichen Gefialten, für die Motive der
Haltung und Bewegung wie für die Gewandung. Es bildet {ich ein einfeitig
fiatuarifcher Stil heraus, unter deffen Herrfchaft zwar Zeichnung und Modelli-
rung der einzelnen Geftalten immer noch trefflich find, aber das Gefühl für
perfpectivifche Anordnung zurücktritt, und daher das Bewufstfein von dem
Unterfchiede zwifchen plafiifcher und malerifcher Darftellung verloren geht.
In einer durch Jahrhunderte gehenden Entwicklung war die griechifche Kunft
zur Ausbildung des malerifchen Stils durchgedrungen, jetzt aber verfchwindet
diefer unter den Händen eines noch immer von claflifcher Ueberlieferung ge-
leiteten Gefchlechtes, und es dauerte fait ein jahrtaufend bis die chriitliche
Kunft ihn wiederzugewinnen im Stande war, wozu fie ganz von vorn beginnen,
alle Stufen einer primitiven Kunftbildung von neuem durchmachen mufste.
In S. Cosma e Damiano und in den Denkmälern der zunächft folgenden
Epoche erblicken wir mächtige Einzelliguren in ftrcng fymmetrifcher Anord-
nung und fchlichter Gegenüberftellung. Keine Handlung, nur das Bewufstfein
innerer Beziehung verbindet die Geftalten, fie {tehen repräfentirend vor uns
und wiffen, dafs die Augen der Gemeinde, der ganzen Chriftenheit auf llC ge-
richtet fxnd. Architektonifche oder landfchaftliche Gründe, wie früher, fmd
jetzt nicht am Platze. Nur fymbolifch, um das Paradies als Schauplatz anzu-
deuten, kann liCh ein Wiefengrund mit Blumen ausdehnen, können Palmbäume
fymmetrifch in die Höhe fteigen, vier Wafferbäche als Paradiefesflüffe in der
Mitte dem Boden entftrömen. Das eigentliche Streben aber geht dahin, die
Geftalten raumlos erfcheinen zu laffen, auf tiefblauem Grunde, wie hier, oder
auf Goldgrund wie in San Paolo.
Mit der vollen Entwicklung diefes Stils fteht aber auch fchon die Er-
ftarrung vor der Thüre. Unter den Mofaiken Roms iPc die in S. Cosmas und
Damianus die letzte von wirklich künfilerifcher Bedeutung; unmittelbar nach-
her tritt der ausgefprochene Verfall der altchrifilichen Malerei ein.