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Gefichtsform einbürgert, ftreng, feierlich, mit hoher Stirn, kurzem, getheiltem
Bart und langem Haar, nicht mehr claffifch gebildet. Noch {iellt man ihn
bald blond, bald dunkelhaarig dar. Die Bilder der letzten Gattung liegen der
Schilderung von Chrifti Perfon in dem Lentulus-Briefe, einer Fälfchung des
Mittelalters, zu Grunde. Aber mit diefem Typus hat der Chriltuskopf der
Pudenziana nur wenig gemein. Er ift ebenfo claffifch wie alle übrigen Charak-
tere, wie der Stil, die Zeichnung, die Gewandung überhaupt.
Ja man nimmt vor einer Schöpfung, wie die Mofaik der Pudenziana, fogar Kiäilelfi-i-
wahr, dafs dem Verfalle der antiken Kunft jetzt, feit der Zeit Conftantins, für Auffchwung.
eine Weile Halt geboten, dafs felbft ein gewiffer künftlerifcher Auffchwung
wieder eingetreten war. Freilich war er kein unwillkürlicher, fondern ein durch
bewufste Pflege hervorgerufenen Die gefieigerte Thätigkeit im Monumental-
bau, befonders auch im DienPre des neuen Cultus, hatte das Bedürfnifs nach
beffer gcfchulten Kräften wachgerufen. Libanius erzählt, wie zu feiner Zeit
die Schulen der Rhetoren und Philofophen in Antiochien {ich leerten, und
die jungen Leute den Malern zuftrömten 1). Gefetze Conüantins aus den
Jahren 334 und 337 begünftigten die Ausbildung von Architekten, ertheilten
ihnen fowie Malern, Bildhauern und Mofaiciiien beftimmte Exemptionen, und
im Jahre 375 erliefsen die Kaifer Valentinianus, Valens und Gratianus ein Edict,
das den vProfefforen der Malereiu bedeutende Privilegien zugeftand 2). In den
von neuem begünfligteil Malerfchulen war es auf Wahrung der Tradition,
firenge Zucht und akademifche Bildung abgefehen; nicht felbftändiges Natur-
ftudium wurde betrieben, fondern die befferen claffifchen Vorbilder wurden
gewürdigt.
Mit welchem Erfolge dies gefchah, zeigt die Mofaik der Pudenziana. Da
von antiker Malerei nur decorative Refie übrig find, ift nicht genau nachzu-
weifen, wie fich diefes Werk zu den Schöpfungen der claffifchen Spätzeit ver-
hielt. Vielleicht darf man vermuthen, dafs es vor ihnen etwas voraus hatte
durch den Ernft und die Ueberzeugung mit dem fein geiftiger Gehalt von
dem Künftler ergriffen worden war. Es erinnert den heutigen Befchauer an
die befien Werke der Renaiffance.
Chronologifch ftehen zunächft die Mofaiken in der grofsen Bafilika Santa s. Sabina.
Sabina auf dem Aventin, aus der Zeit des Papftes Coeleftin (422-433).
Das Erhaltene befchränkt {ich auf die Marmor-Incruftation über den Arcaden
des Langhaufes und eine Mofaik innen an der Eingangswand: eine grofse
Dedicationsinfchrift in Gold auf blauem Grunde, eingefchloffen von zwei Ma-
tronengeftalten in edel-claffifcher Gewandung und guten Proportionen auf Gold-
grünt]; wie die Infchriften angeben: Perfonificationen der Kirche aus dem Juden-
thum und aus dem Heidenthurn 3).
Unmittelbar nachher tritt der claffifche Stil fchon nicht mehr in folcher
Reinheit auf. Während des allmählichen Verfalls von Rom, des immer ftärke-
Yen Sinkens antiker Cultur mindert {ich die Herrfchaft über die Formen, aber
gleichzeitig lebt {ich die chriilliche Auffaffung mehr in ihr eigenthümliches
I) Liöalzizzx, de professoribus. Citirt von Enzäric-Dazxid:
Paris 1842, S, 14_
2) P. Richter: Die Mofaikelm von Ravenna, cap. IV.
3) Abbildung bei de Rumi.
moyen
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Historie de 1a peinture
II":