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Erftes Buch.
Zweiter Abfchnitt.
Ausftattung mit Pflanzen, Vögeln, Thieren und einer Fülle von Kreuzen als
kindifch und unwürdig und verlangte im Inneren Bilder aus dem Alten und
Neuen Teftament mit derfelben Motivirung, die fpäter Gregor II. fo formulirte:
nDefshalb wird die Malerei in den Kirchen angewendet, dafs die der Schrift
Unkundigen wenigftens auf den Wänden beim Betrachten lefen, was fie in
den Büchern nicht zu lefen vermögen Die Bilder flnd demnach nicht mehr
blofse Decoration, fie dienen der Erbauung, der Belehrung, der Andacht, und
zu diefem Zwecke hat die chriftliche Kunit den grofsen Schritt von der blofsen
Andeutung zur wirklichen Darftellung gethan.
s. Puden- Bilder diefer Richtung treten feit dem Ende des 4. Jahrhunderts in den
Dänen römifchen Bafiliken auf; dem genannten Termin gehört die fchönfte aller
Mofaiken in Rom, die in der Apfxs der Santa Pudenziana auf dem Esquilin
an. Eine beredte Infchrift in Verfen, die in andern Fällen den Stifter nennt
und eine fichere Datirung gewährt, fehlt hier allerdings, aber ein Neubau
der Kirche unter Papft Siricius (14 398) ift gefichert. In der Mitte thront der
bärtige Chrifius, mit lehrender Geberde der Rechten, ein offenes Buch in der
Linken, etwas tiefer, im Halbkreife, fitzen die Apoftel, feit einer Verkleinerung
bei der Reitauration des Jahres 1588 nur noch zehn, ausdrucksvoll in Zügen
und Geberden, von den Worten Chrifti begeiitert und bewegt. Die zwei
Matronen, die, Kränze in den Händen, hinter ihnen ftehen, find offenbar als
die Kirche aus dem Heidenthum und die Kirche aus dem Judenthum aufzufaffen
und beziehen fich auf Petrus und Paulus, die dem Herrn zunächft fitzenl).
Wie die Hgürliche Compofition flCll durch glückliche Anordnung, Freiheit bei
ftrenger Symmetrie und lebendigen malerifchen Zufammenhang auszeichnet,
fo empfängt fie auch ihren paffenden Hintergrund durch die halbkreisförmige
Bogenhalle, über welcher ftattliche Gebäude emporragen. Ueber dem Heiland
{teigt auf einem Hügel ein grofses mit Edelfteinen gefchmücktes Kreuz empor,
und in der Luft fchweben die Symbole der Evangeliftenil) (Fig. 45).
Bäriiger Eine befondere Aufmerkfamkeit verdient hier der Typus Chrifti, eine
Ciiyrfiiif- der älteften Darftellungen des bärtigen I-Ieilandes. Noch immer ift der Urfprung
diefer neuen Auffaffung, welche neben die bartlofen Jdealbilder Chrifti tritt,
nicht ermittelt. Zwar kann man (ich der Erwägung nicht verfchliefsen, dafs
es Berührungspunkte zwifchen der antiken Vorftellung des Zeus und dem
chriftlichen Gottesbegriff gab, die auch ihren Einflufs auf die Kunft übten.
Dennoch darf eine Uebertragung des Zeustypus auf Chriftus nur als Ausnahme
gelten. Ein Beleg dafür ift die in das Jahr 462 verlegte Sage von dem Maler,
dem beide Hände verdorrt feien, weil er dem Chriittisbilde die Züge Jupiters
gegeben 4). Blickt man auf ein Bild wie diefes, fo kann man auch eher
einen antiken Philofophentypus, der für Chriitus als Lehrer geeignet ift,
als Vorbild annehmen. Im 5. Jahrhundert wird der bärtige Chriftustypus
häufiger, aber er fchwankt noch immer, bis fich endlich eine feftftehende
1) [Vilusz Ep. IV, 61. Gregar; Ep. IIO. VII. Ind. 2. Vgl. Szhnaafef, III. 192, Gregorozzius
II. 214, Unggr bei Erfcll u. Gruber, Serie I. B. 84, S. 302.
2) L. Lqfort, revue archäol. 1874, Feb. S. 96. Vgl. die Perfoniiicationen in der Subina. Farben-
druck bei Labarte Taf. 121. Andeutung der Refhiurationen bei Gummi 'l"af. 208.
3) Labarte (IV S. 116) nimmt ohne Grund eine Erneuerung des Obertheiis im S. Jahrhundert an.
4) Pzjäer: Mythologie der chriül. Kunfl I. I. S. 117 und ä 15 überhaupt.