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Buch.
Erftes
Erfier Abfchnitt.
die Zerfetzung war vielmehr von innen heraus erfolgt. Die Erbfchaft der
griechifchen Bildung war ein äufserlicher Belitz, deffen die römifche Welt
geifizig nicht mehr Herr blieb. Die Tradition verilüchtigte iich, jeder Genera-
tion ging mehr und mehr von dem Naturgefühl des Alterthums verloren, das
nicht länger durch felbitändiges Studium und Zurückgehen auf die Quelle
genährt ward. Die lIViedergabe der Formen rein aus dem Gedächtnifs heraus
hat Gleichgiltigkeit gegen die Durchbildung zur Folge. Es fchwindet die
Kenntnifs der Formen felbit, ja fogar die Solidität der Technik und das
leichte Gefchick der Hand. Die Vernachläfiigung der Natur wurde vom
Chriftenthum zwar nicht erft herbeigeführt, wohl aber noch geiteigert, weil es
feinem Wefen nach mehr Gewicht auf die geiftige Bedeutung als auf die Form
legte. Wir liehen an dem Punkte, auf Welchem Alles, was die griechifche
Kunfi. durch jahrhundertelange Entwicklung in Bewältigung des malerifchen
Stils und {einer Bedingungen erreicht hatte, unter den Händen der Nach-
kommen allmählich zu Grunde ging, fo dafs die Malerei bald auf eine primi-
tive Stufe zurückfmken mufste.