Die Katakomben.
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Gehen der Compofition, vermieden. Bei überliefertem Gefühl für Schatten-
wirkung {ind die Geftalten noch angemeffen, wenn auch nicht kräftig, modellirt,
auch die Thierformen lind noch im Ganzen verftanden, die Bäume, welche im
Zufammenhang mit dem Erdboden zur Andeutung eines landfchaftlichen Schau-
platzes ausreichen, find zwar etwas allgemein, aber der Natur noch ziemlich
entfprechend gehalten. Der Grad der Durchführung richtet (ich nach den
Bedingungen der Aufgabe. Erft fpäter nehmen allmählich rohere Behandlung
und Ungefchick in der Form überhand. Bei einfachem, hellem Grunde ift
endlich die Farbe licht und harmonifch geftimmt.
Darin liegt überhaupt ein wefentlicher Reiz diefer Malereien, dafs in dem Stimmung-
Schmuck der Grabkamrnern, als 0b er für häusliche Gemächer erfonnen wäre,
ftets anmuthige Heiterkeit durchgeht. Da mifcht kein Hinweis auf die Schrecken
des Todes, kein düfteres, asketifches Moment {ich ein, felbfi geheimnifsvolle
Mahnungen an die Heilslehre klingen nur tröfllich und in poetifchen Bildern
durch. Gerade das ifi aber nicht ein chriftlicher, fondern ein claffifcher Zug.
Neben der Wandmalerei mufs hier noch einer anderen Technik kurz ge-
dacht werden, die ebenfalls den zeichncnden Künften angehört. Zu den werth-
vollften Objecten, die in den Katakomben gefunden wurden, zählen die G0ld- Gclrlgläfer.
gläfer (fondi d'oro), gewöhnlich Böden von Glasgefäfsen und meift aus dem
3. und 4. Jahrhundert. Die Gegenflände find einfacher Art: Köpfe und Einzel-
gefialten von Apofteln, Petrus und Paulus als Paar, biblifche Scenen, wie wir
fie fchon kennen lernten, Bilder von Verftorbenen, über welchen der Heiland
die Krone des Lebens hält, dann auch profane Darftellungen, jagdfcenen oder
ein Sieger auf der Quadriga 1). Das find keine eigentlichen Glasmalereien, fon-
dern eingekratzte Zeichnungen in dünnen, auf Glas geklebten Goldblattchen,
gedeckt durch ein darüber gelegtes zweites Glas, das mit dem unteren durch
Schmelzen zu einer fefien Maffe verbunden wurde.
Bei dem Ueberblick der Malereien in den Katakomben mufs man fchliefs- Clgflifghef
lich noch die Wahrnehmung ausfprechen, dafs von einem befonderen Gefühls- Charakm"
ausdruck, der als eigentlich chrifilich gelten könnte, hier nirgends eine Spur
ift. Ebenfowenig kann man auch den Satz zugeben, den noch Schnaafe auf-
geftellt hat, dafs hier nVorzüge der chrifilichen llVerke vor den gleichzeitigen
hßidnifChenu wahrnehmbar feien, die nauf der Verfchiedenheit der chrifllichen
Weltanficht von der heidnifchen beruhenu, dafs in den chriftlichen Bildern
namentlich das perfpectivifch-malerifche Princip ftärker hervortrete2). Wir
beharren vielmehr bei dem Ergebniffe, dafsiein neues chriftliches Element nur
in den Gegenftänden auftaucht, welche dem Maler zugewiefen wurden, nicht
aber in feiner Arbeit, und dafs der Stil diefer altchriftlichen Malereien trotz
aller Unvollkommenheiten nicht aus dem Kreife claffifcher Kunft heraustritt.
Aber mit der Kunft der fpäteren römifchen Kaiferzeit theilt allerdings die vöYfilll.
altchriftliche Malerei die Eigenfchaft, eine Kunft des Verfalls zu fein. Ihre
ältefien Producte find die beflen, dann wird fie in die Entartung der Clämfchen
Bildung mit hineingezogen. Für diefe ift das Chrifienthum nicht verantwortlich,
1) Pgrrgt IV_ Tf_ 21-33. [Bafaele Ganzrzi, Vetri ornati di flgure in oro trovati 116i
cristiani prilnitivi di Roma. Roma, 1858 fol. 2. vermehrte Außage 1864.
2) III S. 102 (2, AuHage).
de
cimiteri