Volltext: Die Malerei des Alterthums (Bd. 1)

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Erfsces 
Buch. 
Erfter 
Abfchnitt. 
des Praetextatus-Coemeteriums, die nicht aus dem Tuff gehauen, fondern regel- 
mäfsig gewölbt und von hohem Alterthum ift, enthalten die vier Felder der 
Decke nur Rofen, Ailern, Weinreben und Lorbeerzweige, von Vögeln belebt, 
alfo Pflanzen, die wahrfcheinlich den vier janreszeiten entfprechen, und in den 
unteren Streifen entfprechende Genrelcenen: Blumenpflücken, Schnitter bei 
ihrer Arbeit, Weinlefe und Olivenernte. Der Vorraum der erften Katakombe 
 zu Neapel enthält bei reizender Feldertheilung der Decke zwei flatternde Tauben 
mit einem Oelblattgewinde im runden Mittelfchilde und ringsum fchlanke 
Gazellen, fpringende Panther, Seepferdchen, Vafen mit Rofen und Vögel, 
die {ich auf Zweigen wiegen. Auch in der Folge bleiben nicht nur Delphine, 
Vögel, Masken als decorativer Apparat erhalten, fondern es mifchen {ich fogar 
Motive aus der clafiifchen Mythologie ,Tritonen, kleine geflügelte Genien, unbe- 
fangen unter das Blattwerk des Ornamentes. Daneben fügen fich dann erft 
allmählich Bilder und Geftalten chriftlichen Inhaltes ein. 
Symbole. Mit den älteften chrifilichen Symbolen, wie üe auf Grabplatten, Geräthen, 
Sarkophagen eingeritzt, plaflifch, aufgemalt vorkommen, dem Monogramm 
Chrifti k , dem T, der älteiten Form des Kreuz-Symboles, dem Schiffe als 
Sinnbild der Kirche, dem Fifch, der durch das Buchftabenfpiel des Wortes 11353159 
an Chxiltus erinnern foll, hat die Gefchichte der Malerei nichts zu thun. Das 
ift lediglich eine Bilderfchrift, welche den Mitgliedern der Gemeinde verlländlich 
war, {ie an Grundbegriffe ihrer Heilslehre erinnerte. Aber wenn die Taube 
als Sinnbild der Chriitenfeele angewendet wird, das Lamm mit der Siegesfahne 
als Symbol Chrifti, Lämmer in der Mehrzahl als Darftellung der Apoflel oder 
der chriftlichen Gemeinde erfcheinen, wenn der Pfau an die Unfterblichkeit, der 
Hirfch am Quell an die chriftliche Heilsfehnfucht erinnert, fo kommt doch in 
diefen Bildern neben der religiöfen Bedeutung oft auch die decorative und 
malerifche Wirkung in Frage; die antike Vorliebe für die Darftellung des 
Thierlebens dauert in ihnen fort. jedenfalls waren folche Thierbilder nach 
claffifchen Muflern gebräuchlich, ehe es der chriftlichen Anfchauung gefiel 
einen befonderen Sinn in ihnen zu fuchen. 
Daneben treten dann auch fchon andere Sinnbilder auf, die wirklich 
bildmäfsige Form gewonnen haben und malerifche Motive gewähren, und 
gerade diefe fmd zunächit rein aus dem Bilderkreife des claffifchen Alterthums 
entlehnt; fo vor allen die beiden immer wiederkehrenden Darftellungen des 
OrpheugOTPhCllS und des guten Hirten, welche als Sinnbilder Chrifti erfcheinen. 
Orpheus fitzt, in antiker Tracht, mit der phrygifchen Mütze, auf einem Felfen 
und fclilägt die Leier, während wilde oder zahme Thiere, befonders Löwen 
ihm zu Füfsen ruhen (vgl. Fig. 43), und erfcheint fo als eine Hindeutung auf 
Guter Hirr. die zwingende Macht der chriftlichen Lehre l). Der Hirt, der das Lamm auf 
den Schultern tragt, ift eine Anfpielung auf Chrifti Gleichnifs vom guten 
Hirten, hat aber feine unmittelbaren Vorbilder in antiken Darftellungen, in 
genrehaften Hirtenfiguren, wie wir fie auch in pompejanifchen Wandbildern 
I) Diefe Bedeutung wird befitrittelm von F. W Unger (Ersclz u. Gmber, I. Serie, Bd. 84  382), 
der die Bilder auf orphifche Myfteriexa zurückführt und fie derfelben Geiflesftrömulug zufchreibt, der 
die unechten Schriften des Orpheus und ihre verfleckten YVcifihgxmgexx des Chriflentlmulns enlfprangen.
	        
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