Die Katakomben.
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dem Gebrauche, nun aber wurden fie durch Jahrhunderte noch Stätten der
Wallfahrt und der Verehrung. Seit dem 9. Jahrhundert aber, nachdem die
Sucht nach Reliquien ihre fortgefetzte Plünderung herbeigeführt hatte, geriethen
lie in Vernachläffigung und Vergeffenheit, bis endlich am Ende desjlö. Jahr-
hunderts die Wiederentdeckung der nRoma Sotterraneau begann, und damals
die Forfchungen Bofio's, dann feit Ende des vorigenjahrliunderts die wefent-
lich auf die Gefchich-te der Malerei gerichteten Studien Seroux d'Agincourt's,
heute die planvollen Unterfuchungen de Rofffs uns ihre Kenntnifs erfchloffen.
Diefe Coemeterien find die einzigen Stätten, an denen wir bis gegen Ende
des 4. Jahrhunderts Ueberreile chrifllicher Malerei finden. Aber nur folche
frühere Malereien in ihnen können uns hier befchäftigen. Was fpätere Jahr-
hunderte dann noch hinzugethan haben, ift für uns unwichtig, denn diefe
Epochen können beffer nach ihren Denkmälern über der Erde beurtheilt werden.
Für die Gefchichte der Malerei find unter den Coemeterien der erften
Jahrhunderte namentlich das der Priscilla an der Via Salaria, das der Do-
mitilla oder der Heiligen Nereus und Achilles an der Via Ardeatina, dann
das des Praetextatus an der Via Appia am wichtigften. Die umfangreichfte
aller Katakomben ifl; das zu Ende des 2. Jahrhunderts angelegte Coemeteriurn
des heiligen Calliftus, dem des Praetextatus gegenüber. In der Nähe liegen
die erwähnten Katakomben des heiligen Sebaftian. Endlich ift das Coeme-
terium der heiligen Agnes am entgegengefetzten Ende der Stadt, an der Via
Nomentana, vorzugsweife beachtenswerth. Aufserhalb Roms kommen dann aulllxsälrxtialb
namentlich noch die Katakomben des heiligen Januarius in Neapell) und
die zu Alexandrien2) in Frage.
Die engen, labyrinthifchen Gange der Coemeterien, in den früheften regel- Amse-
mäfsiger, in den fpäteren noch fchmaler und in Windungen angelegt und durch
verfchiedene Stockwerke unter der Erde fortgeführt, mit ihren Reihen von
Loculi oder Grabftellen in den Wänden, öffnen {ich ab und zu in annähernd
quadrate, aus dem Tuff gehauene Grabkammern (Cubicula), von denen oft
ZWCi einander gegenüberliegen oder mehrere zufammenitofsen. Diefe {ind die
Stätten der malerifchen Decoration. Ganz im Sinne des Alterthums find auch
die chriftlichen Gräber Wohnungen der Todten und als folche Abbilder von
den Wohnungen der Lebenden. Wie in den chriftlichen Gräbern allerlei Ge-
Yäthe, Schmuck- und T oilettengegenüände, Münzen, Kinderfpielzeug gefunden
worden find, die nach dem Brauche des Alterthums dem Verfiorbenen aus dem
irdifchen Leben in das neue Dafein mitgegeben wurden, fo empfingen auch
die Grabkammern der Coemeterien nach antikem Vorbilde eine malerifche
Dccoration, die dem Schmuck des häuslichen Gemaches entfprach.
Gerade in den älteften Coemeterien entfaltet fich oft eine rein decorative Deäjizlntscn.
Malerei, die fich von antiker handwerklicher Ausfchmückung nicht unterfchei-
den läfst. Leichtes Weingerank mit Eroten fchrnückt eine Decke im älteften
Theile des Coemeteriums der Domitilla, und ebenda kommen auch noch Rette
von Landfchaften als Wandfchmuck vor. In der fogenannten Krypta quadrata
a_
Wcior Schultze, Die Katakomben von San Gennaro dei Poveri
Studie. Mit I0 lithogralahirten Tafeln. Jena 1877.
C- PWfcizer, im Bullettixlo III (1865) S. 57, mit Bemerkungen v1
I)
rifchen
2)
in Neapel. Eine kunfihiflo-
an Rofü S. 61, 73.
10'