Volltext: Die Malerei des Alterthums (Bd. 1)

Die 
erhaltenen 
der 
Werke 
griechifch-rt 
nlifchexl Malerei 
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auch jetzt noch nicht völlig gelöft worden waren. Aber die Künftler wählten 
Motive, bei denen diefe fchwierigeren Probleme weniger in Betracht kamen, 
und ihr Gefühl erfetzte ficher in vielen Fällen die bewufste Kenntnifs. Wenn 
wir auf handwerksmäfsig flüchtigen Reproductionen die Perfpective zwar nie- 
mals völlig richtig, aber doch oft annähernd richtig angewandt fehen, fo dürfen 
wir Apelles und feinen Zeitgenoffen wohl zutrauen, dafs ihr Gefühl, wo ihre 
Kenntniffe nicht ausreichten, fie noch richtiger und fchöner geleitet. 
Es ift ferner augenfällig, wie fchon Helbig mit Recht hervorgehoben, 
dafs den Griechen der Sinn für die Reize des atmofphiirifchen Lebens, die in 
der modernen Malerei oft eine Hauptrolle fpielen, niemals völlig aufgegangen. 
Die verfchiedenen Stimmungen, die durch die verfchiedene Dichtigkeit des 
atmofphiirifchen Dunflkreifes, durch die am Himmel heraufziehenden Wetter- 
wolken, durch den verfchiedenen Stand der Sonne, durch wechfelnde Beleuch- 
tungseffecte jeder Art erzielt werden, diefe Stimmungen, die wir am erften 
geneigt find, mit- Stimmungen unferes Gemüthes zu identificircn, find ihnen 
jedenfalls nur in geringerem Mafse zum Bewufstfein gekommen oder fympa- 
thifch gewefen, als uns. In der Regel nahmen fle den Horizont nach unferen 
Begriffen ungewöhnlich hoch an und vertheilten die verfchiedenen Gegenftände 
bei gleichmäfsig klarer Luft in der weiten Fläche. Die pompejanifche Wand- 
malerei hat freilich tinzweifelhaft einige Bilder mit rother Abendbeleuchtuxig 
aiifzinveifeii; aber man mufs hier im einzelnen Falle vorfichtig fein, nicht für 
atmofphiirifche Stimmung zu nehmen, was nur ein befonderer Effect der 
decorativen Farbenftimmung in dem erwähnten Sinne ift. Uebrigens konnte 
diefer Mangel oder diefe Einfeitigkeit hauptfachlich nur in der Landfchafts- 
malerei fühlbar werden und mufste für die meifien grofsen Figurendarftellungen 
ohne Einfluß bleiben. 
Wir dürfen uns nach allem Gefagten das Verhältniß der griechifchen veTlliiltnifi 
Malerei zur modernen feit dem 16. Jahrhundert etwa fo vorftellcil, dafs uns nglrlllfdflläfrelij 
bei einer ganzen Reihe der bedeutcndilcn DarPcellimgen der größten griechifchen 
Maler, wenn uns vergönnt wäre, fie zu betrachten, gar keine technifchen Ver- 
fiöfse auffallen würden, dafs wir He vielmehr ohne Bedenken dem Vollendetflen 
aller Zeiten und Völker an die Seite fetzen würden. Bei Darftellungen einiger 
Arten würden uns dagegen doch vielleicht einige perfpectivifche Unbeholfen- 
heiten und coloriflifche Schwächen auffallen; und die altgriechifchen Maler, 
wenn fie manche der vollendetften Werke der neueren Malerei fehen könnten, 
würden ficher anerkennen, dal's wir, wenn wir einige ihre Leiftungen an Stil- 
und Schönheitsgeftihl auch kaum erreicht, doch in der malerifchen Auffaffung 
der Natur und in der technifch völlig correcten Wiedergabe auf der Flache 
Fortfchritte gemacht, die ihnen unbekannt geblieben, Gebiete eröffnet haben, 
die ihnen verfchloffen gewefen. 
Der hohe Ruhm, zum erPcen Male eine wirklich fo zu nennende Malerei 
gefchaffen zu haben, wird den Griechen trotzdem nicht wieder bePrritten werden 
können. Sie haben {ich infofcril um die Malerei faft noch Verdienter gemacht, 
als um die anderen Künfle, in denen ihrc Leifluxigen weniger etwas ganz Neues 
als vielmehr das Schönfte fchufen, was auf der vorhandenen Grundlage ge- 
fchaffen werden konnte.
	        
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