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Buch.
Zweites
Zweiter
Abfchnitt.
jetzt fehr rafch verblaffen und fchwinden, wenn iie nicht durch bcfonderc
Vorlichtsmafsregeln gefchützt werden.
lllrwlälfiällfl- Fragen wir endlich nach dem Kunltwerth aller diefer Bilder vom Stand-
punkt der heutigen Kritik aus, fo haben wir mit unferer wiederholten Betonung
ihres handwerksmäfsigen und decorativen Charakters und der fehr verfchiedenen
Güte ihrer Ausführung innerhalb diefer Grenzen die Antwort darauf eigentlich
fchon gegeben.
Die gröfste unmittelbare Befriedigung werden uns die einzelnen, oft fchwe-
benden Gefiäalten und Gruppen gewähren, welche fich ohne gefchloffenen
Hintergrund von den farbigen Wandflächen abheben. Reine Formen und
anmuthige Motive wirken hier ohne Beimifchung {törender Elemente. Der
von Haus aus mehr plaftifche Sinn der Alten hatte hier nur bis zu einem
gewiffen Grade nöthig, {ich mit den malerifchen Errungenfchaften der Zeit
von Apollodoros bis Apelles abzuiinden.
In den Bildern mit gefchloffenem Hintergründe und malerifcher Com-
pofition wirken augenfeheinliche Veriiöfse gegen die Perfpcetive, fchlechte
Verkürzungen, rohe Hintergründe, ungenügende Vertheilung von Licht und
Schatten nicht felten fiörend. Die Kraft des Kunfthandwerkers reichte nicht
aus, die gröfseren Gemälde in diefem malerifchen Sinne technifch zu vertiefen.
Gleichwohl gewähren uns gerade die grofsen römifehen und eampanifchen
NVandgemälde eine Voritellung von der technifchen Vollendung der antiken
Malerei. Was in ihnen an perfpectivifchen Verfuchen, an Verkürzungen, an
Licht- und Schattenwirkungen {ich erhalten hat, fo fchwach wie es manchmal
erfcheint, genügt doch zu dem Beweife, dafs die Fortfchritte der höheren
Kunftmalerei auf diefen Gebieten fehr bedeutende gewefen fein müffen, be-
deutender fogar, als wir uns, wären wir lediglich auf die Schriftquellen an-
gewiefen, vielleicht für berechtigt halten würden, anzunehmen.
lhrejl-eur- Betrachten wir die erhaltenen Wandgemälde nun aber als das, als was
naeliqjlleiiiäga-l-IC lediglich betrachtet fein wollen, als Beftandtheile gröfserer bunter Deco-
mrighäiiik-rationsflächen, fo werden wir ihnen von diefem Standpunkte aus nicht nur
einen viel unbefangeneren Genufs abgewinnen, fondern wir werden manches
anfcheinencl Conventionelle ihrer Compoiition, wie ihrer Farbengebung jetzt
erft verliehen und würdigen lernen.
Gegenflliclac. Was zunächii die Compofitionen anbetrifft, fo ift bei diefer Gelegenheit
auf die befondere Beziehung aufmerkfam zu machen, in welche die Gemälde
verfchiedener Wände deffelben Raumes als Gegenitücke zu einander gefetzt
Iind. Ad. Trendelenburg hat diefe wichtigen und folgenreichen Beziehungen
erft vor Kurzem klar geftelltl). Wohl find nicht felten und befonders in den
vornehmften Häufern die verfchiedenen, meift gleichgrofsen und an derfelben
Stelle der verfchiedenen NVände angebrachten Gegenftücke durch ihren Inhalt
als folche charakterifirt, indem verfchiedene Scenen deffelben Mythos oder
gleiche Momente verfchiedener, aber verwandter Sagen oder Gruppen, welche
diefelbe Idee in anderer Verflon wiederholen, dargeftellt find, wie das in der
Kunft aller Zeiten und Völker vorkommt; noch weit öfter aber und das
ift diefer antiken Wanddecoration eigenthümlich werden die Gegenftücke
r Kuufl-
wc rlh.
[Xrchäologifche Zeitung,
1876,