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Zweites Buch.
Zweiter
Abfchnitt.
(casa del poeta) genannt hat. Auch eineDarftellung des Laokoon und der
Schlangen ifi kürzlich aufgedeckt worden (Fig. 37). Von den alten Helden war
im Uebrigen Herakles viel zu populär, als dafs er irgendwo hätte fehlen dürfCn.
Einige feiner Heldenthaten finden {ich denn auch in verfchiedenen campanifchen
Wandgemälden verewigt. Manche andere Stoffe {ind dagegen offenbar der
Tragödie entlehnt. Hierher gehören die Darfiellungen der Medeia, wie fie
im Begriff ifi, ihre Kinder zu tödtcn, der Phaidra und des Hippolyt, der
Schleifung der Dirke durch den Stier, der Niobiden und andere. Phrixos und
Helle auf dem Widder im Meere reihen {ich dem an, und Narkiffos, welcher
{ich in fein eigenes, aus den Wellen zurückgeworfenes Bild verliebt, war natür-
lich ein jener Zeitrichtung ganz entfprechender Gegenftand.
nrebilder. Leicht erklärlieher Weife fchlofs die Malerei, welche ihre Gegenfiände dem
täglichen Leben entlehnte, {ich diefer heiter-gefelligen Richtung in ausgefpro-
chener Weife an. Die campanifchen Genrebilder können wir mit I-Ielbig in
zwei Hauptclaffen eintheilen, deren eine als helleniftifches, deren zweite als
römifeh-campanifches Genre zu bezeichnen ifi. Die letzteren verhalten fich
Römifch- zu den erfleren ähnlich wie jene Sacralbilder zu den übrigen Hiftorienbildem.
cirgäejsjk Sie find meift von roher Hand in unmittelbar praktifcher Beziehung zu den
Räumen gemalt, in denen {ie angebracht find, fo dafs {ie hie und da als eine
Art Aushängefchild zu betrachten, nicht aber dem höheren Kunfihandwerk,
gefchweige denn der wirklichen Kunft, zuzuzählen find. S0 Enden fich Kneip-
fcenen in den Wirthshäufern, Tuchwalker bei ihrer Arbeit in deren Fabrik-
gebäude, obfcöne Bilder im Bordelle von Pompeji dargeftellt. Die Tracht ift
in diefen Bildern des römifch-czimpanifchexi Genre's diejenige des damaligen
Lebens. Niemals findet {ich hier die ideale griechifche Nacktheit. Unter den
Gegenfländen ifi das banaufifche Element am ftärkfien vertreten: Irlandwerker
in ihren verfchiedenen Befchäftigungen, Scenen aus dem Reit- und Fuhrwefen,
Scenen vom Forum, Brodverkäufer, Fifchhändler, Laftträger, Seiltänzer, alles
derb realiflifch aufgefafst und meift gemein und unbeholfen dargeflellt. Hierher
gehören denn auch die Darftellungen aus dem brutalen Gladiatorenleben,
welche befonders am Podium des Amphitheaters, aber auch an verfchiedenen
Henenmi. anderen Stellen Pompejfs dargeflellt wurden. Ganz anders verhält es {ich
(igiiiii mit dem helleniftifchen Genre, dem viele der anmuthigften Darflellungen
der campanifchen Wandmalerei angehören. Seine Stoffe {ind weniger un-
mittelbar dem wirklichen Leben, als dem Leben, wie es in der Phantafie des
Künftlers exifiirte, entnommen. Eine gewiffe Idealität fpricht {ich in allen
diefen Dariiellungen aus, welche, weit entfernt von der Derbheit mancher
niederländifchen Genremaler des I7.]ahrhunderts, den Zufälligkeiten der nackten
Wirklichkeit entrückt werden. Ideale Principien der Compofition und der
F ormengebung, zu denen z. B. die Einführung der Nacktheit in Fällen gehört,
wo fie im Leben nicht vorkommen würde, verklaren diefe Scenen zu hoher
Anmuth. Es iPt eine fchlichte, naive Schönheit über {ie ausgegoffen, welche
den" beffer gemalten Originalen, deren Nachbildungen wir vor uns haben, einen
unvergleichlichen Zauber verliehen haben mufs. Hauptfächlich {ind es Seenen
aus dem Frauenleben, dem Jünglingsleben und dem Kinderleben. Charak-
terifiifch genug fpielen aber jene in der griechifchen Vafenmalerei häufigen
Abbildungen von nackten jünglingen in den Uebungen des Gymnafiums und
Gcnrebilder