114
Zweites Buch.
Zweiter Abfchnitt.
des Bettes. Er foll wohl an der Schwelle des Brautgemaches fitzen. Im
Hintergemache, links vom Befchauer, bereiten Frauen ein Bad. lm Vor-
gemache, rechts vom Befchauer, celebriren drei Frauen ein Opfer mit
Gefang und Leierfpiel. Diefem 1606 beim Bogen des Gallienus aufge-
fundenen und nach feinem erften Befitzer, dem Cardinal Aldobrandini, be-
nannten Gemälde mag ein befferes Vorbild zu Grunde liegen. Unfer
Exemplar felbft iPc in der Compofition zwar nicht malerifch, aber gefchmack-
voll. Es zeigt auch viele {chöne Einzelmotive, eine milde, harmonifche
Färbung und i{t von jenem Hauche ernfter, {liller Anmuth umweht, den man
nur in der Antike findet. Aber die malerifche Technik ift unbedeutend; über
die handwerksmäfsig decorative Flüchtigkeit faft aller, von Stubenmalern her-
gePrellten, erhaltenen ähnlichen Werke erhebt es {ich keineswegs. Die inte-
reffanteflen Bilder der vaticanifchen Bibliothek find ohne Zweifel die berühmten
Ofayrxfgie- grofsen Odyffeelandfchaften, welche in den Jahren 1848-4850 auf dem esqui-
fchafwn. linifchen Hügel zu Rom ausgegraben wurden 1). Es find fechs vollftändig er-
haltene und ein halbirtes Gemälde, zu denen noch ein leider faft ganz zerPtörtes
hinzukommt. Ein hohes Intereffe gewähren diefe Bilder zunächft von Seiten
ihres figürlichen Theiles als faft genau an den Text {ich anfchliefsende IlluPtra-
tionen zur Odyffee; und zwar {teilen die erften drei Bilder, wie die an fie {ich
anfchliefsende Hälfte des vierten, das Laiftrygonerl-Abenteuer dar. Von der
Mitte des vierten bis wahrfcheinlich zum Ende des zerflörten fechften reicht
das Kirke-Abenteuer, und hieran fchliefst fich auf dem fiebenten und dem nur
zur Hälfte erhaltenen achten Gemälde eine Darftellung der Nekyia, des Be-
fuches des Odyffeus in der Unterwelt, an. (Fig. 29.) Die ganze Reihe der er-
haltenen Bilder illuftrirt daher einen zufammenhängenden Theil des alten Epos,
nämlich von Gefang X, v. 80 bis Gefang XI, v. 600. Die einzelnen Geftalten
flnd zum Ueberflufs meiPt durch griechifche lnfchriften beglaubigt. Ein ferneres
hohes Intereffe gewähren diefe Gemälde als decorative Einheit betrachtet.
Sie {ind nur ein Stück eines verlorenen Ganzen, welches an dem unteren Theil
der Wände eines gröfseren Raumes entlang lief, einer Art Fries, der freilich
durch gemalte hochrothe Pilafter in einzelne Gemälde abgetheilt wurde. Doch
fallen deren landfchaftlich rnalerifche Einheiten nicht mit den Pilafierumrah-
mungen zufammen. Vielmehr {ind deutliche Uebergänge in den Linien fowohl,
wie in den Farben, von Bilde zu Bilde bemerkbar, fodafs wir ohne die Trennung
durch jene gemalten Pfeiler 'in unmerklichen Uebergängen von einer Scenc
zur anderen geleitet würden. Die Farben, die in den einzelnen Gemälden
vorherrfchen, {ind gelb-braun und grün-blau. Die blendend hochrothen Pilafter,
welche {ie trennen und das Ganze zu decorativer Einheit zufammenfaffen, heben
{ich mit der prächtigften Wirkung von jenen Farben ab. Das bedeutendPte
Intereffe flöfsen uns diefe Gemälde aber in ihrerEigenfchaft als grofse Land-
fchaften ein. Das von den vorfpringenden gelben Felfen begrenzte Laiftry-
gonenland, die weite blaue Meeresbucht, von deren Felfenhöhen herab die {tein-
fchleudernden Riefen die Schiffe der Griechen zerfchmettern, der Palafthof der
Kirke, der, wie {ich aus der perfpectivifchen Behandlung jener Trennungs-
I) K. Woernzann:
productionen und Text.
Die antiken Orlysseelandfchaffen.
München
1876.
Chronnoli
ngraphifche