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Zweites Buch.
Zweiter Abfchnitt.
Pinfelfiihrung. Wohl mufste ein Apelles fchon gelebt haben, ehe die etrurifchen
Grabbilder folche technifchen Fortfchritte zeigen konnten. Die dritte Kammer
ift offenbar noch viel jüngeren Datums. In einer Nifche ift Odyffeus dargeftellt,
im Begriffe dem Kyklopen Polyphem das Auge auszufiechen. Der Stil ift
ein vollkommen freier, laxer, ja carikirter. Da er mit demjenigen des grau-
frgen geflügelten Typhonenbildes eines anderen Grabes, der 1832 aufgedeckten
Crliälfäjeßlelgrotta del Tifone 1), übereinftimmt, diefer aber fchon durch feine Um-
gebung frch als römifch-etrurifch charakterifirt, fo dürfen wir auch ihn der
römifchen Zeit zufchreiben. Als drittes Grab {würde nach Helbig in diefe
Bfiflgää Reihe das von der Gräün Bruschi erPc vor kurzem entdeckte gehören. Tarquinii
'war römifche Municipalfiadt geworden. Auch die Kunft erhielt, wie Brunn
fagt, einen municipalen Charakter. Der helleniftifch-römifche Wandgemäldeftil,
wie wir ihn in Rom und Pompeji maffenhaft finden, hatte {ich in der erften
Kaiferzeit über ganz Italien verbreitet. Die genannten Gemälde zeigen, dafs
er feinen Weg auch in die Gräber Etruriens gefunden. So fmd die etruskifchen
Wandgemälde die einzigen, an welchen wir die Malerei des Alterthums durch
alle Phafen ihrer Entwicklung verfolgen können. Ihr bedeutender kunfthifto-
rifcher Werth ift damit erwiefen.
WANDGEMÄLDE
ROM
AUS
UND DESSEN
UMGEBUNG.
Kunflge- Das Intereffe, welches die römifchen Wandgemälde uns einilöfsen, ift dem
sffeiiiäiligiiili der etrurifchen fafi entgegengefetzt. Sahen wir dort ziemlich einförmige, {ich
"C6252?" wiederholende Gegenftände, aber ein lange ftiliitifche Entwicklungsreihe, fo
gemäldm finden wir hier an den Wänden der römifchen Bauten faft nur Gemälde aus
der letzten Zeit der Republik und der Kaiferzcit, die alfo durchaus der voll-
hellenifiifchen Entwicklung des Römerthums angehören, die uns aber durch
die Mannichfaltigkeit ihres intereffanten Inhalts und die Schönheit ihrer Motive
in hohem Grade feffeln.
Die Zahl der Wandgemälde, die feit der Zeit Papit Leo's X. bis auf unfere
Tage zum kleineren Theil aus Gräbern, zum gröfseren Theil in Palälten, Villen
und Thermen Roms und deffen Umgebung wieder ausgegraben lind, ift eine
fehr bedeutende. Die meiPcen derfelben lind jedoch bereits wieder unter-
gegangen und nur in Stichen erhalten. Die erhaltenen römifchen Wandgemälde
fmd zum gröfsten Theil erft im Verlaufe unferes Jahrhunderts dem Tages-
lichte zurückgegeben.
(äifziclybplgäf Die grofse kunftgefchichtliche Wichtigkeit diefer römifchen Funde gegen-
fälgzxäxtand- über den maffenweife zu Tage geförderten herculanifchen und pompejanifchen
(um pflegt nicht genügend betont zu werden. Der Architekt Vitruvius, welcher
etwa zur Zeit des Kaifers Auguftus lebte, giebt uns einen kurzen Abrifs der
Gefchichte der Wanddecoration etwa feit den Tagen Alexanders des Grofsen 2).
Er conftatirt mit Bedauern einen Wendepunkt in dem Stil diefer Malereien
in feinen Tagen, alfo am Anfang der Kaiferzeit. Anfangs habe man Mar-
morincruftationen an den Wänden nachgeahmt, auch diefelben wohl mit
M011. delY Infi. 1834.
Vitruv VII. Cap. 5.
V01.