Buch.
Zweites
Zweiter Abfchnitt.
Infchriften bezeichnet lind. Die Scene ift jedoch noch nicht erklärt. Die
zweite diefer Tafeln zeigt einen nackten Helden, wahrfcheinlich Thefeus, im
fiegreichen Kampfe mit einem Kentauren. Die dritte Platte ftellt eine von
faft allen Archäologen verfchieden erklärte Scene dar. Ein unter einem Baume
iitzender trinkender Silen iii wohl die Hauptfigur. Eine weibliche Geftalt fteht
hinter ihm; eine andere vor ihm neben einem Efel. Die vierte Platte enthält
eine fcenifche Darftellung mit drei tragifch maskirten Gefialten.
Die Zeichnungen der erften drei diefer Platten gehören zu den fchönften,
die uns aus der alten Welt bewahrt iind. Etwas uniicher im Detail der Aus-
führung, zeigen fie Motive von der höchften Schönheit. Die Streitfrage, 0b
diefe Bilder in ihrem urfprünglichen ZuPcande {ich befinden und alfo von Anfang
an beftimmt gewefen, als rothe Umrifszeichnungen auf dem weifsen Grunde
zu wirken, oder ob fie, wie Semper meint 1), nur die Vorzeichnungen lind,
die als Refte einer abgefallenen farbigen Malerei Ptehen geblieben, ift jetzt
{Clgglnügfjrjgjj dadurch als entfchieden zu betrachten, dafs man im Jahre 1872 in Pompeji
111mm" eine fernere Marmorplatte gefunden, welche innerhalb einer ähnlichen Umrifs-
Zeichnung die deutlichften Refie einer ehemaligen völligen Ausfüllung mit
bunten Farben zeigt. Diefes fchöne Gemälde {teilt die Beftrafung der Tan-
talostochter Niobe in einem ftattlichen Tempelhofe dar. (Fig. 25.) Die {tolze
Mutter, im Profil gefehen, erhebt hier, wie in der berühmten Florentiner
Marmorgruppe, ihr Haupt mit fchmerzlichem und doch noch trotzigem Aus-
druck gen Himmel. Wie in jener Gruppe, ift die jüngfte Tochter zu ihr
geflüchtet. Die alte Amme aber beugt {ich vor, um eine bereits hinfinkende
ältere Tochter zu halten. Die bunten Farben auch diefes Bildes iind in den
wenigen Jahren, die feit feiner Ausgrabung verfirichen, faft verfchwundenß)
1310153033? Auchpauf Schiefertafeln gemalte Darftellungen hat man in etrurifchen
Gräbern gefunden; und eine kleine Schiefertafel mit dem anmuthigen Bruft-
bilde einer zierlichen, bekränzten Frauengeitalt, in der man früher eine Mufe
zu erkennen glaubte, wird im Mufeum von Cortona bewahrt. Der Kopf zeigt
Anklänge an Raffaelifche Anmuth in Form und Ausdruck. Die Echtheit diefer
zierlichen Darliellung ift nicht über allem Zweifel erhaben. Allein fie fcheint
uns befonders deshalb wahrfcheinlich, weil wir die Hand eines neueren Künitlers
doch erPc recht nicht in ihr entdecken können. Intereffant ift das Bild auch
durch das Bindemittel, deffen der Künftler {ich bedient hat, infofern nämlich
eine Mifchung von Harz und Wachs mit Recht als folches genannt wirdß)
väjlrlögiglllläi An diefer Stelle mufs der prachtvollen farbigen Gemälde an den vier
'Seiten des grofsen Alabafter-Sarkophags gedacht werden, der im verfloffenen
Jahrzehnt in einem Grabe zu Corneto gefunden wurde und jetzt im Mufeum
1) Semper: Der Stil I. S. 470.
z) Publicirt von R. Gaederhens im Giornale degli Scavi di Pompei. N. S. 4872, Vol. II, tav. IX.
3) E Camzlleri: Sopra. un' antica pittura. etc., Cortona 1352, mit Abbildung. Fr. Lenarmant: in
der Gazette archeoL, 1877, p. 41 ff, nebft photographifcher Nachbildung. Lenormant lhält noch an der
Wachs- und Harz-Technik des Bildes fett. Sollte llCh dagegen das Refultat einer neuerlichen Unter-
fuchung des Bildes beftätigen, welche, wenn wir recht unterrichtet Ünd, moderne Oeltechnik zu
erkennen glaubt, fo erhielte der Glaube an die Echtheit der nMufea von Cortona dadurch natürlich den
Todesftofs.