Die erhaltenen Werke der griechifch-röxnifchen Malerei.
Fehler und Schwächen, wie die an der Verkürzung des Pferdes gerügten,
nicht blind machen. Es find aber Mängel, die wir nur der Hand des copiren-
den Mofaikarbeiters, nicht dem Originalgemälde, zufchreiben dürfen. Denn
das Vorbild unferer Mofaik ift möglicherweife mit einem in den Annalen der
antiken Kunltgefchichte namhaft gemachten beftimmten Bilde zu identinciren,
ja, falls wir dem Bericht trauen dürfen, mit fo grofser Wahrfcheinlichkeit zu
identificiren, wie kaum ein anderes.
Wir hören nämlich, dafs die Malerin Helena, von der oben die Rede
gewefen, eine Zeitgenoffin der Schlacht bei lffos, ein Gemälde diefer Schlacht
gemalt, welches Kaifer Vespafian nach Rom verfetzen liefs. Zu der Zeit Ves-
pafians oder gleich nach Vespafian mufs die pompejanifche Mofaik in der
That ausgeführt fein; eine ägyptifirende Borde, die {ich jetzt losgetrennt in
einem anderen Zimmer des Neapeler Mufeums befindet, die aber früher nachweis-
bar zu unferer Darftellung gehörte, weift auf das Heimathland der Aegypterin
Helena hin. Die an fich zweifelhafte Nachricht in Bezug auf Helena und ihr Bild
fcheint daher gerade durch die Exiftenz diefesMofaikgemäldes beftätigt zuwerden.
Trotz der fpröden Technik wird dies Werk, deffen Farben harmonifch,
aber ziemlich gedämpft find, {tets eine hervorragende Stelle unter allen Reften
der griechifch-römifchen Malerei bewahren.
Das gröfste erhaltene antike Mofaikgemälde ift das 6 : 5 Met. meffende Nil- Moraik von
mofaik von Paleftrina l), welches {ich noch in diefer Stadt befindet. In weiter, Paieminl
landkartenartiger Ausbreitung {tellt es offenbar eine ägyptifche Landfchaft
dar. Im Irlindergrunde ift die Wüfte, die Wildnifs, dargeftellt, im Vordergrunde
eine vom Nil überfchwemmte Stadt. In der Wildnifs haufen neben den all-
bekannten Bewohnern der africanifchen Wüfte fabelhafte Thiere von felt-
famen Zufammenfetzungen, durch lnfchriften gekennzeichnet, und ein Trupp
von Negern, mit Bogen und Pfeilen bewehrt, geht auf die jagd. Die über-
fchwemmte Stadt macht den Eindruck eines Infelmeeres, deffen Arme von
Harken belebt find. Die Infeln {ind mit zahlreichen und prächtigen Gebäuden,
Tempeln, Wohnhäufern, Luftlauben, Zelten und ärmeren Hütten bedeckt, von
Palmen und Cypreffen befchattet, von mannigfaltiger Staffage belebt. Aegyp-
tifche Männer jagen das Nilpferd, während die heiligen Krokodile unbehelligt
am blumigen Strande fich fonnen. In einer vom Waffer durchftrömten Reben-
laubc feiert eine Zechgefellfchaft ein fröhliches Gelage 2). Vor reinem tempel-
artigen Gebäude fpielt unter einem Sonnenzelte eine feftliche Ceremonie:
eine Schaar von Kriegern in europäifcher, anfcheinend helleniftifcher Tracht,
an ihrer Spitze ein bekränzter Mann in königlicher Kleidung, wird hier von
einer Frau, fei diefe nun eine Priefterin oder die Perfonification Aegyptens,
begrüfst. Viele Ausleger haben in diefer Scene eine hiftorifche Begebenheit
gefucht, haben {ich aber nicht darüber geeinigt, welche Gefchichte gemeint
fei. Wahrfeheinlich hat der Künftler überhaupt nur ein Bild von Aegypten
geben wollen, und in der That veranfchaulicht die ganze Darftellung fowohl
die Landfchaft als auch das Leben und Treiben in dem helleniftifchen Aegypten
I) Publicirt von Pieralisi, Rom 1858. Vgl. R. Engelmavzn in der
_134. PVocrnzann: die Landfchaft etc. S. 304 K.
2) Engehnalmn hat nacligewiefelu, dafs (liefes Bruchfttick des Werkes
Mufeum [ich laeündet und in Paleflriml durch eine Nachbildung erfetzt iüz.
arch. Ztg. 1875. S. 127
im Original im Berliner