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Die griechische
Kunst.
bestand sie aus einem Leibrock, Chiton, zu dem öfters ein
Mantel, Himation, hinzukam. Der Chiton war eine Art weites
Hemd, aber ohne Verengerung am Halse, ärmellos oder 1r1it
kurzen, seltener mit langen Ärmeln; über den Hüften wurde er
durch einen Gürtel zusammengehalten. Bei den Männern
reichte er von den Schultern bis auf die Kniee, bei den Frauen
war er in der Regel länger als diese selbst undhwurde in fol-
gender Weise behandelt. Einesteils wurde der Uberschufs des
StoHes am Hals nach unten umgeschlagen, so dafs er über
Brust und Rücken abwärts hing. In der Bruchlinie auf
der Schulter wurden Spangen zum Befestigen angebracht.
Noch war der Chiton aber unten zu lang. Deshalb wurde
er hinter dem Gürtel soweit in die Höhe gezogen, bis
der untere Saum gerade auf die Füfse fiel; das herauf-
gezogene Stück aber liefs man in Falten über den Gürtel herab
hängen, so dafs es unter dem Überschlag hervorsah und der
Gürtel ganz verdeckt war (Kolpos). Wir sehen bei der Hestia
sowohl jenen Überschlag als auch den darunter in gekräuselten
Falten sich hervordrängenden Kolpos. Von ihrem Haupte
fällt ein Schleier über den Rücken herab. Ein Hirnation hat
die Hestia nicht. Es war dies ein viereckiges Stück Zeug von
sehr verschiedener Gröfse, das in der Regel so umgeworfen
wurde, dafs die rechte Schulter frei blieb.
Der Diskuswerfer nach Myron. Taf. 13, Fig. 7 zeigt
einen Jüngling im Begriff den Diskus zu schleudern. Es ist
bekannt, dafs die Griechen, welche den Leib nicht soweit wie
wir hinter die Seele zurücksetzten, grofses Gewicht auf
körperliche Übungen legten. Dieselben wurden von der
Jugend um so eifriger betrieben, weil die Feste der Götter
und das Andenken an die Landesheroen durch Spiele ver-
herrlicht wurden, bei denen Wettkämpfe die Hauptstelle ein-
nahmen, und weil den Siegern in diesen Kämpfen nicht geringe
Auszeichnungen zu teil wurden, die den Ehrgeiz anspornten.
Der höchste Preis aber war, nicht allein bei den grofsen National-
spielen, sondern auch bei andern öffentlichen Wettkämpfen,
dafs man den Sieger mit einer Statue belohnte, welche freilich
zumeist nicht sein Porträt wiedergab, aber einen schönen
Menschen in der Ausübung der Kunst darstellte, in der er den
Sieg errungen hatte. Solche Statuen sind uns in gröfserer
Anzahl erhalten. Man könnte sie athletische Genrebilder
nennen. Unter Genrebildern versteht man nämlich solche,
die weder eine merkwürdige Person, noch einen historisch be-
deutenden Moment wiedergeben, sondern Vorgänge, die sich
im Leben eines Volkes oder der Menschen im allgemeinen
immer wiederholen. Bei dem viel geübten Diskuswerfen nun