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Kunst,
Die griechische
das andere ist die Wiederh olung; das aber hat der Künstler
hier mit gutem Grunde nicht angewandt. Man denke sich die
beiden Jünglinge in ganz gleicher Aufstellung, beide mit den-
selben Füfsen vorn, so würden sie aussehen wie zwei auf-
marschierte Krieger, die zwar beide jeder für sich denselben
Zweck wie der andere verfolgten, aber nicht beide gemein-
schaftlich nur einen, wie das jetzt zu Tage tritt, wo beide
mit den nebeneinander stehenden Füfsen ausfallen und der
Schwerpunkt der Handlung gewissermafsen zwischen beide
gelegt wird. Zugleich wird auch die Gruppe durch diese
Stellung, indem die äufseren Glieder auf beiden Seiten zurück-
treten, fürs Auge gleichmäfsig abgerundet. Endlich wird,
indem der eine ein Wenig hinter dem andern zurückbleibt,
der weite Zwischenraum zwischen den gespreizten Beinen
durch das Hineintreten des einen Beines des Nebenmannes
gefüllt. So finden wir bereits in dieser Gruppe die hohe
Weisheit der griechischen Kunst offenbart. Kritios hat, wohl
mit Nesiotes zusammen, im Jahre 478 das Original in Erz
geschaffen; von_ wem die Nachahmung in Marmor herrührt,
ist unbekannt.
Die sogenannten Aegineten. Eine weit zahlreichere
Gruppe aus Marmor, die im Original auf uns gekommen ist,
zeigt uns die folgende Abbildung (Taf. 11, Fig. 8. Zur Zeit
der Perserkriege wurde auf Ägina zu Ehren der Pallas ein
Tempel erbaut, von dem noch bedeutende Reste erhalten sind.
Er war dem Poseidontempel in Paestum ähnlich, nämlich ein
hypäthraler (s. S. '53) Peripteros (s. S. 58) hexastylos (s. S. 59)
mit I2 Säulen an der Längsseite. Die Säulen sind schlanker
als dort; das Material ist Sandstein, der mit feinem Stuckwerk
überzogen und dann übermalt war; nur Dach und Gesimse,
die nicht mehr stehen, waren aus Marmor. Die Giebeldrei-
ecke dieses Tempels waren mit Werken der Skulptur geschmückt
und das Dach an den Ecken wie über den Giebeln mit
bedeutsameren Gegenständen geziert. Der gröfsere Teil dieser
Skulpturen wurde, freilich zertrümmert, im Jahre 1811 in
den Ruinen des Tempels wiedergefunden. König Ludwig von
Bayern, damals Kronprinz, kaufte sie an, gewann den berühm-
ten, an klassischer Kunst gebildeten dänischen Bildhauer Thor-
waldsen, um sie zu ergänzen, und liefs sie, nachdem diese
Aufgabe glänzend gelöst war, später in der von ihm begrün-
deten Sammlung von Skulpturen (der Glyptothek) in München
aufstellen. Es sind, von Unbedeutenderem abgesehen, fünf-
zehn Statuen erhalten, von denen zehn der Gruppe in dem
westlichen, fünf der in dem östlichen Giebel angehörten. Da
die beiden Gruppen unter sich ähnlich waren und man gern