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Die Kunst des Orients.
versehener Zugang bis zur Plattform, die etwa I 5 m im
Quadrat rnafs. Hier befanden sich wahrscheinlich zwei steinerne
Altäre. Ahnlich in der Anlage, wenn auch viel gröfser, hat
man sich den berühmten Tempel zu Babylon zu denken, von
dem ein Schriftsteller des Altertumsö) erzählt, dafs er die Höhe
von 185 m erreicht habe.
Abgesehen also von diesem Pyramidentempel und dem
wahrscheinlich alle Häuserfluchten krönenden Zinnenschmuck
waren das einzige Element, durch welches die Einförmigkeit
dieser ausgedehnten Palastanlage unterbrochen wurde, die
grofsen Portale. Denn Fenster hatte man nicht, aufser in den
obersten Teilen der Türme, weil man die unerträgliche Hitze
des Sommers möglichst ausschliefsen wollte. Zur Beleuchtung
aber genügten die grofsen Offnungen der Portale.
Diese sind, da das schlechte Baumaterial der Wände
durch den Druck einer lebhaft eindringenden Menschen-
menge hätte Schaden leiden können, aufsen und teilweise auch
innen auf beiden Seiten mit grofsen, schön verzierten Stein-
platten verkleidet. Taf. 4, Fig. 6 zeigt von zwei verschieden
grofsen Portalen je eine Seite nebst dem dazwischen befind-
lichen Stück Wand. Mächtige geflügelte Gestalten, halb Stier,
halb Mensch, in denen man schützende Gottheiten erkennt,
sind die Wächter der Eingänge. Der Palast zu Khorsabad
hatte deren vierundzwanzig Paare. Ihr Leib erscheint im Prolil
und hängt als Relief mit der Wand zusammen, aber Kopf
und Brust sind dem Kommenden entgegengewandt und treten
rund aus der Wand hervor. Da nun derjenige, welcher das
Tier von vorn, also vor dessen Brust stehend, betrachtet, das
in Relief gebildete rückwärts gerichtete Vorderbein des schrei-
tenden Tieres natürlich nicht sehen kann, so ist, damit dasselbe
nicht vorn auf einem Beine zu stehen scheine, neben dem
vorgestreckten noch ein drittes Vorderbein angefügt, wie wir das
auf der linken Seite unserer Abbildung bei dem gröfseren Stiere
sehen können. Diese den Eingang schützenden Gestalten sind
bis an 3,50 m hoch, etwa ebenso lang sind ihre Flügel. Der
menschliche Kopf, dessen Züge tiefen Ernst zeigen, trägt die
priesterliche Mütze, die am obern Rand mit Federn, vorn mit
mehreren Hörnerpaaren geschmückt ist. Bart und Haar sind
geflochten und gekräuselt, wie in der Regel bei den Königen.
Die Formen des ganzen Gebildes erscheinen so natürlich, ihre
Ebenmäfsigkeit ist so grofs, dafs man kaum an den Wider-
spruch gegen die Wirklichkeit denkt. Der Haupteingang (links)
unterscheidet sich von dem andern dadurch, dafs er auf jeder
Seite des Thores zwei solche Gestalten hat, von denen die