selben Statue herstellen konnten, sobald sie über den Mafs-
stab übereingekommen waren. Da diesen Formeln auch der
Kopf unterlag, so ist es nicht zu verwundern, dal's Individuen
nicht gebildet wurden. Unschön übrigens sind die Statuen
nicht zu nennen, wenn wir bedenken, dafs der ägyptische
Typus dargestellt werden sollte, ja sie streifen in ihrer gewal-
tigen Gröfse an das Erhabene. Aber sie sprechen uns nicht
an, weil alles Persönliche in ihnen fehlt; ein Bild ist so starr,
leblos und ausdruckslos wie das andere; überall ist die Stellung
die gleiche, das Alter dasselbe. Man sieht, es lastete ein
Zwang auf diesem Zweige der Kunst. Im Gegensatze hierzu
stehen die von der Architektur unabhängigen Porträtstatuen,
noch mehr die Reliefs und Bilder, besonders die, welche mit
staatlichen oder heiligen Interessen nichts zu thun haben,
sondern sich auf die Beschäftigungen und Vergnügungen des
Privatlebens beziehen. Hier stellt sich uns ein frisches, reiches
Volksleben voll Behaglichkeit und kindlicher Harmlosigkeit
in breiten Zügen dar. Die religiösen Bilder sind auch leblos;
die, welche die Thaten der Könige schildern, sind zwar äusserst
bewegt und anschaulich, aber meist schablonenhaft und mit
Symbolik überfüllt.
Auch an den Werken der Architektur erfüllt uns man-
cherlei mit Verwunderung. Nicht so sehr, dafs fast alle noch
erhaltenen Gebäude der Verehrung der Götter und noch mehr
der Toten geweiht sind, denn Ägypten forderte bei feinem
milden Klima weniger für die Lebenden ein festgegründetes
Haus, als für die Toten, die ja ewig darin weilen sollten:
nicht die flache Bedachung fast aller Gebäude ist wunderbar,
denn die Trockenheit des Landes erheischt keine schief ab-
fallenden Dächer; auch nicht die öde Einförmigkeit der un-
gegliederten Flächen, denn diese war nicht so grofs, wie unsere
Abbildungen sie erscheinen lassen, da bunte Ornamente und
farbige Bildwerke alles belebten: wohl aber die Riesengröfse
der Bauwerke, die gediegene Ausführung, die unverwüstliche
Festigkeit, welche so lange dem Sturm der Zeiten getrotzt hat.
Auch hier offenbart sich das für den Ägypter bezeichnende
Streben nach dem Erhabenen. Um solche Massen aber so
sicher bewegen, solch hartes Gestein so sauber bearbeiten, so
fest fügen zu können, mufsten Wissenschaft und Praxis Hand
in Hand gehen. Und so war es auch. Denn wiewohl die
"Regierungsform in Ägypten seit Menes streng monarchisch
war und der König als Sohn Gottes fest und unbeschränkt
herrschte, so hatten doch die Priester allezeit grofsen Einfiufs,
und diese waren wie die Urheber aller Wissenschaft so auch
die geistigen Leiter aller Kunstthätigkeit. Priester aber haben